Ewige Libertines

Ex-Partner Doherty macht mit musikfremden Themen Schlagzeilen, Carl Barat spielt mit den Dirty Pretty Things

Carl Barat hat es nicht leicht in diesen Tagen. Sein ehemals bester Kumpel geistert noch immer als fideler Crackhead durch die Schlagzeilen, das Album der Babyshambles wird größtenteils gefeiert – ob nun zu Recht oder nicht -, und nun hat Doherty sogar eine eigene Biografie bekommen: „The Last Of The Rock Romantics“. Nach dem großen Schwärmer Barat hat lange keiner mehr gefragt. Dabei hat der 27-Jährige die Libertines ebenso sehr geprägt wie sein dionysischer Freund. Doch im Rock’n’Roll gilt der öffentliche Exzess bekanntermaßen mehr als die Tugend der Beständigkeit. Im Dezember 2004 hat das auch Barät gemerkt und nach einer allerletzten Tour — ohne den wilden Pete – einen Schlussstrich gezogen.

Nun ist er also wieder da und die Libertines irgendwie auch. Sie heißen jetzt zwar Dirty Pretty Things, doch am Schlagzeug sitzt noch immer der lässige Gary Powell, und die zweite Gitarre schrubbt Anthony Rossmando, Dohertys Nachfolger auf der letzten Tour. Lediglich Bassist Didz Hammond, der vorher bei The Cooper Temple Clause spielte, ist ein echter Neuzugang. Das Debütalbum „Waterloo To Anywhere“ erinnert… nein, nicht nur an “ Up The Bracket“. Auch an die blutjungen Kinks oder The Clash, mit etwas weniger Ganja im Blut.

Barat hat schlechte Laune. Sein Hals kratzt, die Nase läuft, und heute Abend sollen die Dirty Pretty Things ihr erstes Konzert in London spielen. „Klar bin ich nervös“, murmelt der Sänger mit fast geschlossenem Mund. Ob es vielleicht daran liegt, dass er mit den Babyshambles zumindest gleich ziehen möchte – vor den Medien, in der Metropole? „Solche Fragen sind wohl immer wieder ein großer Spaß für euch Journalisten“, poltert er los und lässt den Blick dabei ins Nirgendwo schweifen. „Es geht um gute Songs – nicht um einen Wettbewerb, egal mit wem.“ Über die guten Songs zu reden ist allerdings nicht so leicht, wenn man vor dem Interview nur sechs Lieder hören darf. „Diese Stücke haben wir mit Dave Sardy in L.A. aufgenommen. Da hören wir uns an wie ein paar Typen, die mit dem Rücken zur Wand stehen, aber partout nicht aufgeben wollen. Die andere Hälfte des Albums ist noch nicht fertig gemixt. Wir haben sie in Glasgow aufgenommen, mit Tony Doogan. Diese Songs sind eher moody und verhalten. Vielleicht machen wir für die Vinyl-Ausgabe eine Tag- und eine Nacht-Seite.“

Dass der Name Dirty Pretty Things etwas arg aufdringlich an die Pretty Things erinnert, hat Barat offenbar schon häufiger gehört: „Ich glaube, die haben sich letztes Jahr wieder zusammengefunden, nachdem sie sich eine Weile verpisst hatten. Sieht also so aus, als würde es einen Showdown geben“, witzelt er genervt. Aber warum hat er nicht einfach den alten Namen behalten? „In meinem Herzen werde ich immer ein Libertine bleiben. Aber die Libertines waren Petes Band, also ist es auch sein Name.“

Barat sieht gut aus, in den dunklen, enggeschnittenen Klamotten. Das Gesicht ist etwas schmaler geworden und seine Attitüde ist ein lässiges I-don’t’give-a-fuck. Was nicht so recht passt sind die beiden böse guckenden Bodyguards. „Die haben wir nur in Hot Spots dabei.“ Aha, und was bitteschön ist in diesem Fall ein Hot Spot? „Die gesamte Londoner Innenstadt. Okay, zugegeben, es ist schon etwas albern, man bekommt so schnell das Gefühl, man sei Bono.“ Am Abend hat Carl einen Migräneanfall, und die Band steht erst mit halbstündiger Verspätung um 23.30 Uhr auf der Bühne. Keine Entschuldigung, keine Ansage, stattdessen: „Deadwood“. Der Raum wird mit einer mörderischen Lautstärke geflutet. Die Band sieht fantastisch aus, dunkel, mysteriös. Alle rauchen, als würde es morgen verboten. „Blood Thirsty Bastards“ erinnert an Iggys „The Passenger“, und auch die Dirty Pretty Things reiten am Ende durch die Nacht: Auf den Händen ihrer Fans, in einem Meer aus Schweiß. Gut, dass die Bodyguards dabei waren.

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