Expeditionen ins eigene Land

Der schwedische Songschreiber Nicpolai Dunger hat viel von seinen US-Musikerfreunden gelernt - und kommt sich dadurch selbst immer näher

Nicolai Dunger hat eine neue Brille. Die ist ziemlich groß und bedeckt etwa die Hälfte seines Gesicht – 70s-Style. „Hab ich in einem Trödelladen gefunden. Ich dachte, es wäre ganz gut, manchmal ein bisschen Distanz zu den Leuten zu haben“, lacht er. Wohlgemerkt, es handelt sich hier um keine Sonnenbrille. Eine seltsame Idee, sich so die Welt vom Leib zu halten, da eine Sehhilfe ja eigentlich eher zur schärferen und näheren Betrachtung dienen sollte. Dieses Spiel mit Nähe und Distanz ist genau das, was Dunger auf seinem jüngsten Album „This Is My Song. You Can Have lt…I Don ‚t Want It Anymore/ Yours 4-ever Nicolai Dunger“ tatsächlich spielt. Der Singer/Songwriter, die Instanz in der Popmusik also, die wie keine zweite für Introspektion und Identifikation auf Seiten des Hörers steht, schafft einen Raum zwischen sich und seinen Songs, gibt sie weg.

Als wir uns das letzte Mal trafen, war Nicolai etwas frustriert, weil Jonathan Donahue, Grasshopper und Jeff Mercel von Mercury Rev, die das Album produzierten, ihm sogar verboten, Gitarre zu spielen. Doch er hat sich auf das Experiment eingelassen und bereut es nicht. „Die wollten dieses Element aus meiner Musik herausnehmen und den Fokus stärker auf meinen Gesang legen. Ich denke, das ist das erste, was man auf der neuen Platte hört: Die Dynamik kommt von anderswo als sonst“

Schwer vorzustellen, wie der rastlose Dunger, der normalerweise nicht länger als eine Woche im Studio sitzen kann, es mit den perfektionistischen Schönklangmeistern so lange aushielt. „Ich hätte in der Zeit zehn Alben machen können“, meint er kopfschüttelnd. „Normalerweise gehe ich mit ein paar Musikern ins Studio und schaue, was passiert. Da geht’s um Kommunikation und darum, die Leute spontan einzubeziehen. Ich denke da nicht über Tonarten, Tempi oder so nach. Die Jungs von Mercury Rev haben aber alles vorher geplant Das war wie eine lange Reise, auf der ich auch sehr viel über Musik und Produktion gelernt habe. Und am Ende lag ja die Entscheidung bei mir, ob wir’s so machen sollten, wie sie es vorschlugen, oder anders.“

Die Bläser und Streicherarrangements überließ Nicolai seinem langjährigen Gitarristen Thomas Tjärnkvist. „Er ist mein Lee Underwood“, grinst er. Und zieht damit scherzhaft einen Vergleich, der auch in der Presse manchmal bemüht wird, denn Underwood war der kongeniale Partner von Tim Buckley, der wiederum gerne bei Reviews von Dunger-Alben als Referenz genannt wird. „Es gibt im Tonfall unserer Stimmen vielleicht Ähnlichkeiten“, versucht Dunger zu erklären. „Buckley hat diese unnachahmliche Art mit Instrumenten zu harmonieren und mit Melodien zu spielen, so dass man glaubt, sie fielen ihm erst ein, während er sie singt.

Van Morrison kann das auch – oder Bob Dylan und Will Oldham. Neil Young ist ein großer Songwriter mit einer schönen Stimme, aber dieses Talent hat er nicht“ Nico, an deren Debüt „Chelsea Girl“ das neue Dunger-Cover erinnert, sicher auch nicht. „Nein (lacht). Da gefällt mir die Stimmung, wie europäische und amerikanische Einflüsse harmonieren.“

Der Musikfan Dunger hat mittlerweile auch selbst schon jede Menge, teilweise sehr prominente Bewunderer. So schickte er zu Beginn seiner Karriere eine EP mit seinen Songs an Musiker, die er bewunderte. Die Resonanz war enorm, viele riefen – wie etwa Mercury Rev, Robert Fripp oder Will Oldham – an, weil sie mit ihm aufnehmen wollten, und Robert Wyatt schrieb ihm mal eine Postkarte, nachdem er Dungers „Tribute To Robert Wyatt“ gehört hatte. Außerdem zählen Soundtrack Of Our Lives und das Esbjörn Svensson Trio zu seinen Fans und musikalischen Partnern. Vor einigen Monaten erzählte Kurt Wagner von Lambchop einem erstaunten Nicolai während seiner US-Tour als Support von Calexico, er verfolge seine Musik schon seit dem zweiten Album „Eventide“. Lauert da schon die nächste Kollaboration? – “ l’m collaborating with myself now. Ich spiele alles selbst Ich habe ein Sommerhaus an der schwedischen Küste gekauft, dort werde ich ein kleines Studio einrichten. Es ist eine Art Prüfung: Ich versuche mich an alles zu erinnern, was ich in den Kollaborationen gelernt habe. Das Tolle, wenn du alleine arbeitest, ist ja, dass es sehr ehrlich ist, denn du kannst dich hinter nichts und niemandem mehr.

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