Fauchendes Reh

Die amerikanische Songschreiberin Neko Case liebt Tiere und hat ein wundervoll streitbares Wesen

Hinter einer schönen, doch unverstellten Fassade verbirgt sie ein kaum vermutetes Faible für den Glamour von The Sweet – und ein wunderbar streitbares Wesen. Es braucht nur das richtige Reizwort, um es zum Leben zu erwecken. An einem trüben Nachmittag im Februar fängt das Reizwort mit „B“ an, und hört mit „ruce“ auf. „Ich kann ihn nicht ausstehen!“, ereifert sich die seit einigen Jahren in Chicago ansässige Songschreiberin aus Tacoma, Washington. „Nicht wegen seiner Songs, sondern weil er den Messias gibt! Ich hasse das. Ein Album über 9/11 zu machen und das so vermarkten zu lassen… Songs zu schreiben, die den Menschen Trost geben, ist eine Sache – eine andere so aufzutreten, als ob du ein Experte für die Gefühle der Leute wärst. Das ist fast so gruselig wie diese Country-Typen mit ihren furchtbaren Songs.“ Meinen Einwand, daß Songs wie „Nothing Man“ oder „You’re Missing“ alles andere als furchtbar sind, wischt Case mit einem kurzen „I guess“ beiseite. Zudem, so Case. habe Bruce einen Gewerkschaftsstreik brechen lassen, um auf seiner letzten Tournee auch die Show in Tacoma spielen zu können – „wo er doch angeblich dieser Blue Collar-Verfechter ist. Für mich ist er nichts weiter als ein Heuchler.“Wham, bam, thank you ma’am!

Da hält es Case lieber mit Tom Waits – so könne eine lange Karriere in Würde aussehen. „Er macht, was er will und es funktioniert. Er wird älter, aber seine Musik ist immer noch unglaublich sexy. Klar, daß ist nur eine Botschaft, aber eine sehr effektive, und seine Kreativität hat nie darunter gelitten.“

Neko Case selbst will sich auch künftig „nicht für ein Video wie Britney Spears verkleiden“. Naheliegender ist, daß sie wenn überhaupt-eher in ein Bunny-Kostüm schlüpft, bei ihrer Passion für die Metaphernwelt des Tierreichs. Im Booklet von „Blacklisted“ posierte die Hundenärrin 2002 vor Rehkitzen, und das Live-Album im letzten Jahr konnte nur „The Tigers Have Spoken“ heißen. Nun also ein Fuchs im Titel, aber ein ganz besonderer. „Der Song ,Fox Confessor Brings The Flood‘ repräsentiert die Stimmung des Albums am besten. Aber es hätte fast jeden Song treffen können, und immer wäre ein Tier dabeigewesen“, erklärt Case lachend. Die Figur des „Fox Confessor“ borgte sie sich aus der russischukrainischen Folklore. Das Fabelwesen steht dort für „einen Beobachter, der alles sieht, aber auch vielen Illusionen aufsitzt. Wenn du ihm begegnest, kannst du ihm zwar eine Frage stellen, aber kaum auf eine wasserdichte Antwort hoffen – auch weil er nicht daran glaubt, daß die Leute auf alles eine Antwort haben sollten.“

Case hat schon noch eine Antwort parat. Als ich sie frage, ob ich ihr etwas sagen könne, das sie echt aufregen wird, sagt sie: „Sure“. Also sage ich ihr ganz einfach, daß ich glaube, sie habe mehr mit „Bruce“ gemein, als ihr lieb sei. Und da antwortet sie: „Ja, das könnte wahr sein.“

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