Review: „Fear The Walking Dead“: Vergesst Negan, hier kommt Walker!

„Fear The Walking Dead“: Gegen den Indianer Walker hat Negan, die Comic-Witzfigur aus dem erfolgreicheren „The Walking Dead“, nichts auszurichten

Treue gegenüber der Vorlage gilt bei Comic-Adaptionen als Gütesiegel – für „The Walking Dead“, das auf Robert Kirkmans Zombie-Geschichten beruht, führte der Weg zuletzt jedoch in die Sackgasse. Oberbösewicht Negan, der Baseballschläger-schwingende Riese mit dem federleichten Ballett-Schritt und Standardbegrüßung („L-O-O-K At You, Rick!“), wurde recht werkgetreu von Jeffrey Dean Morgan verkörpert. Und das erwies sich als Problem. Morgan traut sich kaum der Figur Zweifel anzueignen, in seiner Moral, den Entscheidungen; vielleicht auch, weil Negan in Kirkmans Untoten-Epos so eindimensional wirkt.

Am Sonntag ist nun die erste Hälfte der dritten Staffel von „Fear The Walking Dead“ beendet worden, jene in den US-Quoten strauchelnde Schwester-Serie von AMC. In seiner Bedeutung hat das Ableger-Format, das ohne Comic-Vorlage auskommen muss, das übermächtige „The Walking Dead“ längst überholt. Die politische Wucht, die Konflikte zwischen Amerikanern, amerikanischen Ureinwohnern und Mexikanern, ist viel größer als seine – mehr oder weniger stark ausgearbeiteten – Figuren. Die Frage, wie nach einer Apokalypse der Landbesitz neu verteilt werden sollte, wie Ländergrenzen verlaufen, ob alte Ansprüche angesichts einer neuen Bedrohung für die Menschheit überhaupt noch eine Bedeutung haben: Das ist Motor dieser Serie geworden. Allerdings muss man wegen des nachlassenden Zuschauerinteresses überhaupt froh sein, wenn es sie noch lange gibt.

Madison hilft ihrem Sohn Nick

Mit dem Indianer Walker (Michael Greyeyes) hat „Fear The Walking Dead“ in Staffel drei eine Figur eingeführt, die als „Antagonist“ bezeichnet wird, aber gar kein Antagonist ist. Der Ureinwohner will nur seine Ländereien zurück. Die Mittel, die er gegen die diebische Familie Otto um den rassistischen Patriarchen und Möchtegern-Missionar Jeremiah (Dayton Callie) einsetzt, sind brutal. Skalpieren, Anthrax ins Camp einschmuggeln.  Aber nicht nur Walkers Ahnen wurde unrecht getan, sondern auch seinen Eltern. In einer Vorgeschichte erlebten wir ihn als liebevollen Wanderer, der sich um Aussätzige kümmert. Am Ende verzeihen wir Walker sogar, dass er den Hubschrauber abschießen ließ, in dem Travis Manawa (Cliff Curtis) ums Leben kam – die bisherige Hauptfigur und der wohl größte Sympathieträger der Serie. Da fällt auch nicht ins Gewicht, dass Alicia (Alycia Debnam-Cary) Walker vorwirft, er inszeniere sich als „nobler Wilder“.

Es gibt kein Gut und Böse

Ob „Fear The Walking Dead“ im zweiten Season-Abschnitt, der im September 2017 anlaufen soll, die Figur dieses Ureinwohners wieder aufgreift, ist bislang unklar. Die Serie zeigte bislang die Tendenz, in der jeweils anderen Staffel-Hälfte eine neue Geschichte zu spinnen. Die Clarks verlassen am Ende auch die Ranch der Ottos, übergeben den Indianern beim Abschied eine Trophäe.

Diese Serie demonstriert, was „The Walking Dead“ abhanden gekommen ist: Dass man auf zwei verschiedenen Seiten kämpfen kann, es deshalb aber kein Gut und Böse geben muss. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein, nicht nur für jede erfolgreiche, sondern auch vor allem sehenswerte Serie. Beim viel populäreren „The Walking Dead“ mit ihren überzeichneten Charakteren ist dieses Gespür längst abhanden gekommen.

AMC
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