Finstere Geschichten aus Amerika: MC 9OO FT Jesus erforscht das Irre

Der Psychopath lebt hier nicht mehr. Auch der zwanghafte Zündler, der die schlafende Stadt jäh erwachen ließ, ist weitergezogen. Denn Mark Griffin, der ihnen ab MC 900 Ft Jesus eine Stimme und einen Platz gegeben hatte, „war einfach fertig mit diesen ganzen Verrückten“ und „wollte es ein wenig anders versuchen“. Anders? „Ja, nicht so gewalttätig, schockierend. Aber schon noch verstörend.“

Das Wort „psychedelisch“ fällt irgendwann, doch kaum ausgesprochen, ist dem Mann mit dem grauen Kapuzen-Sweater und der schwarzen Wollmütze über fast kahlgeschorenem Kopf schon klar, daß es „vermutlich das falsche ist“. Wie andere, die in ihrer Musik zu großer Präzision fähig sind, fällt es auch Griffin schwer, sich über seine Musik ähnlich präzise zu verbreiten – Worte zu finden, die nicht durch inflationären Gebrauch schon völlig entwertet sind.

Der Psychopath lebt hier also nicht mehr. Andere Charaktere haben Einzug gehalten. Der Penner aus „Tiptoe Through The Inferno“ mit seinem Bettel-Rap. Der anonyme Tote aus „Buried At Sea“, der „vielleicht als spirit am Grunde des Ozeans herumtreibt, wenn es ein Leben nach dem Tod gibt.“

Ein neuer Anlauf. Mark, klingt Dein drittes Album „One Step Ahead Of The Spider“ vielleicht auch deshalb etwas gedämpfter im Tonfall, weil inzwischen Bands mit Namen wie Marilyn Manson hausieren gehen? Und selbst John Doe aus Terlingua,Texas mitbekommen hat, daß Serienkiller „irgendwie faszinierend“ sind? „Ja, vielleicht. Ich denke, je näher Du der Realität kommst… Ich fühlte, daß die Realität noch viel furchtbarer sein kann als…“ Er lacht kurz auf. „Nein, darüber sollte man besser keine Witze machen. Aber ein Song wie ‚Killer Inside Me‘ ist schon sehr over the top“

Pause. „Dieses Beispiel hat mich vielleicht dazu gebracht oder auch nicht – es taugt jedenfalls als Beispiel. Ein Serienmörder wie Jeffrey Dahmer wäre als Typ auf der Straße völlig langweilig. Im wirklichen Leben rennen diese Typen einfach nicht mit einem dicken Messer durch die Gegend. Und so erschien es mir näher am Leben, die Dinge diesmal ein bißchen anders anzupacken.“ Unversehens geriet der bisher kaum autobiographisch motivierte Griffin so auch näher an sein eigenes Leben heran. Der fette Bill, der sich in „New Year’s Eve“ dem Jahreswechsel entgegenfrißt, ähnelt zwar noch am ehesten den Freaks der Vergangenheit. Doch „als ich den Song schrieb, merkte ich, daß ich das ja bin: der Typ, der die ganze Nacht vorm Fernseher hockt, seine Kommentare abgibt und sich dabei sehr überlegen fühlt“.

Als autobiographisches Signal kann auch Griffins wundervolle Cover-Version von Curtis Mayfields „Stare And Stare“ gewertet werden. „Vorher hatte ich nicht das geringste Interesse an traditioneller ‚Sozialkritik‘. Aber dann gefiel mir diese Idee immer mehr. Denn dieser Song ist fast 25 Jahre alt, aber immer noch die Wahrheit. Es geht darum, was Leute anderen antun.“ Auch wenn sie keine Psychopathen sind.

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