Flohmarkt-Folk

Eine Neunziger-Jugend in Chatham, Kent. Der Vater Ägypter, die Mutter aus Malt a. Fünf Brüder, drei Schwestern. Nirvana? Oasis? Nee. Pete Molinari wartet jeden Sonntag nur sehnsüchtig auf die Flohmarkt-Platten, die seine älteren Brüder anschleppen. Hank Williams, Billie Holiday, Johnny Cash, Leadbelly, Dylan. Als er alle intus und auch die Bücher von Woody Guthrie und Jack Kerouac verschlungen, macht sich Molinari auch schon mit eigenen Songs auf ins Land seiner Sehnsucht. San Francisco, Austin. New Orleans, Memphis. In New York bleibt er schließlich hängen und verblüfft die Gäste in den legendären Folk-Cafes im Village. Ein Brite? Tatsächlich? „In meinem Kopf war ich ja schon immer in den USA“, lacht Molinari. „Aber es war dann ein tolles Gefühl, drüben zu spielen und zu denken: Hey, diese Songs und meine Stimme haben mich hierher gebracht.“

Die Stimme – ein eindringlicher, mit vielen Stilen kompatibler Tenor – begeistert nach der Rückkehr auch Billy Childish, der Molinari für sein Debüt “ Walking Off The Map“ einfach allein in die Küche stellt und eine Bandmaschine laufen lässt. Für den aktuellen Nachfolger „A Virtual Landslide“ standen dann schon Session-Profis wie Pedal-Steel-Veteran BJ Cole bereit, angeheuert von Old School-Produzent Liam Watson. der Molinari nach einem Gig mit Holly Golightly angesprochen hatte. „Es war großartig, dass so ein integrer Produzent auf mich zukam. Und ein Analog-Studio wie Toe-Rag ist ja sonst heute kaum noch zu finden. Aber der Schritt war nicht so groß wie man annehmen könnte. Denn ich hatte vorher ja keine bewusste Entscheidung gegen andere Musiker getroffen, es war nur der einzige Weg, allein mit Gitarre und Harmonika umherzuziehen. Ich mag es auch, Songs aufs absolut Notwendige zu reduzieren. Doch manche Stücke profitieren natürlich schon von guten Musikern.“

Dabei glaubt Pete Molinari immer „an die Performance am Stück. Viele Platten heute klingen ja bloß wie ein zusammengeflicktes Handtuch.“ Zu denen zählt “ A Virtual Landslide“ jenseits von munterem Zitateraten definitiv nicht, auch wenn es den Titelsong schon und nur vorab als Single gab. Parallel zu seinen Songs hat er den Roman „With Good Intentions“ fertiggeschrieben, für den Molinari noch einen Verlag sucht. Rekapituliert werden nicht zuletzt seine Außenseiter-Tage, damals in Chatham, Kent. „Ich war ja das mittlere Kind“, erinnert er sich, „hing vielleicht damit zusammen, da gibt’s ja die tollsten Theorien (lacht,). Es ist einfach eine Rolle, die du annimmst, wenn du sonst nirgends reinpasst. Und Musik ist dann natürlich ein Weg, um zu flüchten.“ Und wieder zurückzukommen. Die älteren Brüder sind jedenfalls stolz wie Bolle auf ihren kleinen Pete.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates