Für ein paar Penunzen mehr

Während „Chrome Dreams II“ rotiert, sieht man Bilder von Neil Youngs Parkplatz: Ausschnitte von Fotos von Autos, Rostflecken, abgeblätterten Lack, altes Blech. Bilder des Künstlers als Metallsammler, Psychedeliker und Sentimentalist. Er singt von gewöhnlichen Menschen-und zeigt verschiedene Sorten von automobilem Verfall und Rost. So wie Youngs Kunst zum Stillstand gekommen ist und vor sich hin rottet, so feiert hier das Vergangene einen aufgekratzten Totentanz an der Schrottgrenze. Wenn diese Vision auch die eines Erblindenden sein mag, so hat die Konzeption etwas Zwingendes. Kostet vier Euro mehr.

Auch bei „Sky Blue Sky“ von Wilco hätte man niemals das einfache Album kaufen sollen: Die Special Edition mit Live-Aufnahmen der neuen Songs und Interviews mit Jeff Tweedy und Nels Cline kommentieren und ergänzen die Platte; auch sieht man das Wohnhaus, in dem die Songs entstanden sind, die Straßen, die Plätze der Umgebung. Tweedy erzählt, wie er einmal nach Hause fuhr und an einer Schnellstraße, hinter der sein Haus angesiedelt ist, eine Stunde warten musste, weil eine Parade vorbeizog. Zu Fuß hätte er nur zwei Minuten benötigt. Nehmen wir diese kleine Anekdote als Allegorie auf die Platte „Sky Blue Sky“. Die Entdeckung der Langsamkeit, des Umwegs und der Kontemplation vor der Haustür. Man hätte nicht verzichten mögen auf die Bilder von der Band, wie sie in dem alten, gemütlichen Heim mit Holzbohlen diese Lieder spielt, die damals nur sie kannte, und wie der Gitarrist Nels Cline zu seinem Solo in „Impossible Germany“ ausholt, einem Flug über die Musik der späten 6oer, frühen 70er Jahre, The Byrds, Traffic, Santana, Moby Grape, John Phillips. Während Tweedy diese Inspirationen leugnet, bekennt sich Cline glühend dazu.

Die DVD-Beilagen sind so etwas wie die „Making of‘-Dokumentationen bei Filmen geworden: Man sieht dem Künstler bei der Arbeit zu – zu einer Zeit, da das, was man auf dem Album hört, noch gar nicht fertig war. Zwei Alben auf New West Records – Richie Lee Jones‘ „The Sermon On Exposition Boulevard“ und Steve Earles „Washington Square Serenade“ — gewähren Einblicke in die Songschreiber-Küche, ins Improvisieren und Aufnehmen. So beiläufig hier Auskünfte und Schlüsselloch-Beobachtung zusammenkommen, so vorläufig klingen auch die Platten selbst, könnte man sagen.

Weniger eindrucksvoll sind die alten Videos, die Mick Jagger der Limited Edition seiner müden „Best Of“-Platte beigab. Die konfusen Video-Schnipsel von der Tournee der Waterboys: eine Tortur als Ergänzung zum wunderbaren „Book Of Lightning“. Und bei Tocotronic gibt es ein paar schüttere Einblicke ins Herumsitzen und Probieren bei „Kapitulation“, ein vollkommen nutzloses Appendix. Während das Video zu dem Song „Kapitulation“ eine meisterliche kleine Meditation über das Scheitern und Nicht-mehr-weiter-wollen ist, charmant wie Gerard Depardieu als Schnulzensänger in der Provinz.

So kurze Zeit, bevor die Wonnen von CD (und DVD?) vielleicht vorbei sein werden, könnte man sich an die Luxus-Editionen gewöhnen. Womöglich überleben sie ihren eigenen Tod. Keine Kapitulation

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