George Michael: Olympiahalle, München

Nach 15 Jahren Pause geht George Michael wieder auf Tournee - und zeigt, wie man Popmusik, Disco-Stampfer und große Balladen elegant vereinen kann

Zuerst sieht man ihn nicht. Während er „Waiting“ singt, versteckt er sich in den Kulissen. Imposant sieht die hell erleuchtete Bühne aus: 15 Musiker sind auf drei Etagen verteilt, drei Leinwände werden abwechselnd Bilder von Topmodels, Comics und Licht-Projektionen zeigen. Man könnte befürchten, dass ein kleiner Sänger in dem mächtigen Aufbau verlorengeht. Aber dann kommt George Michael. Im adretten Anzug, mit dezenter Sonnenbrille, perfekt gebräunt, „Flawless“ wie seine Musik.

Es geht bunt und schnell los, aber nach „Fastlove“ ist erst mal Schluss mit groovy, Michael setzt sich auf einen Barhocker und singt „Father Figure“, zum Niederknien. Man bringt den souveränen Superstar auf der Bühne nicht zusammen mit dem Typen, der in Parks rum hängt und bekifft im Auto an der Kreuzung einschläft. Wahrscheinlich passiert das alles nur, weil George Michael weiß, dass er das alles machen kann. Ohne dass es ihm jemand ernsthaft übelnimmt. Die Olympiahalle ist heute zum zweiten Mal proppevoll, und das nach 15 Jahren Konzert-Pause. Die Frauen tanzen immer noch verzückt zu „Everything She Wants“, auch wenn der Abgesang auf die geldgierige Ehefrau jetzt doch etwas komisch anmutet, weil George kurz vorher das Liebeslied „Amazing“ seinem Freund Kenny gewidmet hat. Seit Wham! ist eben viel Zeit vergangen, der Sänger hat längst keine Anbiederung mehr nötig – und geht doch so geschmeidig mit dem Publikum um, als müsste er immer noch in einem Ibiza-Club ein paar Zuschauer von seinen Fähigkeiten überzeugen. All diese Widersprüche lösen sich in Luft auf, wenn George Michael singt. Nicht „Too Funky“ oder das selbstironische „Outside“, bei dem im Hintergrund ein Polizei-Helikopter mit der Aufschrift „LA PeeD“ herumkreist. Nein, die Disco-Stampfer gibt es kostenlos obendrauf. Wenn er richtig singt, mit aller Leidenschaft, wie bei „Praying For Time“, dann fällt einem der Unterschied zu Kollegen wie Madonna richtig auf. Die Stimme ist der Grund, warum es seiner Show bei aller Perfektion nicht an Wärme fehlt, warum sie nicht zu Schauspielerei verkommt. Warum einen die Makellosigkeit nie langweilt. Michael muss nicht bemüht mit der Band schäkern, er beachtet sie kaum. Er muss nicht tanzen, er wiegt nur leicht die Hüften. Er brauchte eigentlich gar keine Show, denn er hat diese Stimme, die zwei Stunden lang keinen Deut nachlässt. Und das ist effektiv genug.

Es gibt derzeit keinen Sänger, der so viel Eleganz am Rande des Lasziven auf die Bühne bringen kann, ohne sich lächerlich zu machen. (Der Typ von den Scissor Sisters bestimmt nicht.) Der feine Lieder wie „My Mother Had A Brother“ so klar singen kann, dass man jedes Wort dieser tragischen Geschichte vom toten Onkel versteht, und dann drei Sekunden später bei „Shoot The Dog“ eine George-Bush-Gummipuppe aufblasen lässt, in deren Schoß sich ein Union-Jack-belatztes Hündchen namens Tony Blair vergräbt.

George Michael, der jetzt 43 ist, erlaubt sich auch eine kleine Pause, 20 Minuten. Zählt dann „Faith“ an, und sofort stehen wieder alle von ihren Stühlen auf-bei der Altersstruktur des Publikums keine Selbstverständlichkeit. Nach zwei kleinen Zugaben – natürlich „Careless Whisper“, bei dem das Publikum mitsingen muss, natürlich „Freedom 90“ – verschwindet er. Und mit ihm die Gewissheit, dass es doch noch perfekte Popmusik gibt, die trotzdem nicht bloß seicht ist. Er will kein Album mehr aufnehmen, aber er hat „See you soon“ gesagt. Demnächst wird er wieder vor laufenden Fernsehkameras Marihuana rauchen oder anderen Blödsinn machen und sich nicht genieren. Wir gönnen’s ihm.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates