Gisbert zu Knyphausen: „Trotzdem Pläne zu machen ist eine gute Prüfung in Gelassenheit“

Gisbert zu Knyphausen über Corona-Frust und Entschleunigung, die schwierige Arbeit an neuen Songs unter Pandemiebedingungen sowie über Schubertlieder und den Realitätsverlust in Teilen der Bundesregierung

Gisbert, wie hat die Krise dich und ein Umfeld wirtschaftlich getroffen?
Ich hatte nicht viel geplant für 2020, dadurch hat es mich zunächst nicht so hart getroffen. Wir wollten eigentlich zum ersten Mal mit meiner Band Husten auf Tour gehen, worauf wir uns sehr gefreut hatten, das hat natürlich nicht geklappt. Aber mit Husten haben wir sowieso keine hohen Einkünfte, mit oder ohne Corona. Ich habe von Rücklagen aus den vergangenen Jahren gelebt und auch keine Soforthilfe beantragt, weil ich das Gefühl hatte: Das brauchen andere Leute dringender als ich. Die Band und meine Crew haben sich soweit ganz gut in der Situation eingerichtet, so mein Eindruck. Ich habe die immer mal wieder abtelefoniert, um zu schauen, ob ich irgendwie helfen kann. Bei den staatlichen Hilfen gab es ja auch regionale Unterschiede und in Berlin und Hamburg, wo die meisten von uns wohnen, schien mir das besser geregelt zu sein als anderswo.

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Man hört ja oft, dass viele diese erzwungene Entschleunigung insbesondere während des ersten Lockdowns auch als wohltuend empfunden haben, wie ging es dir?
Ich war tatsächlich einer von denen, die das zunächst genossen haben. Den April über hatte ich sowieso frei. Ich besitze einen Bauwagen am Stadtrand von Berlin, wo wir sehr viel Zeit verbracht haben: Wir haben Feuerchen gemacht, es gibt eine kleine Sauna, da lässt es sich sehr, sehr gut aushalten. Das hat mich einige Male gerettet. Erst ungefähr ab Juni hat mich dann genervt, dass nichts geht und mir die Decke auf den Kopf fällt.

Wie beurteilst du die kulturpolitischen Debatten und Entscheidungen im Rahmen der Coronakrise?
Ich bin überhaupt niemand, der auf die Politik schimpft, ich möchte da gerade wirklich mit niemandem tauschen müssen. Insofern will ich da auch nicht viel zu sagen. Was mir aber in anderen Bereichen aufgefallen ist und mich auch geärgert hat: Die Lage im Gesundheitssystem, der Pflegenotstand wurden jahrelang ignoriert und jetzt wundern sich plötzlich alle. Ich finde es schon überraschend, wie wenig ausgeprägt das soziale Bewusstsein offenbar bei einigen ist. Als Frau Merkel bei der Pressekonferenz zur FFP2-Masken-Pflicht gefragt wurde, ob Leute, die sich die Masken nicht leisten können, sie umsonst bekommen würden, war ihre Antwort, dass darüber nicht diskutiert worden sei. Das finde ich befremdlich.

„Ein Viertel der normalen Kapazität, Maskenpflicht auf dem Weg zum Platz: das war ungewohnt und merkwürdig, aber trotzdem ganz cool“

Wie denkst du über Übergangskonzepte wie Streaming-Konzerte und solche mit Hygienekonzept?
Mit dem Pianisten Kai Schumacher arbeite ich gerade an Interpretationen von Schubertliedern. Das ist eigentlich eine Reihe, die er in Duisburg an der Philharmonie macht, aber das hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir letztes Jahr damit aufgetreten sind und jetzt sogar ein Album aufnehmen. Die Premiere musste damals abgesagt werden, aber wir konnten sie in Duisburg und sogar auf dem Reeperbahnfestival unter Hygienebedingungen nachholen. Ein Viertel der normalen Kapazität, Maskenpflicht auf dem Weg zum Platz: das war ungewohnt und merkwürdig, aber trotzdem ganz cool.

Hast du an neuen Gisbert-Songs gearbeitet und eventuell sogar über ein sogenanntes Quarantänealbum nachgedacht?
Ich arbeite täglich und es gibt Tausende angefangener Songs, aber ohne die Inspiration von außen geht es bei mir nicht. Ich brauche die Reaktionen meiner Band und meines Publikums, um weiter an Ideen arbeiten zu können. Ein Album mit Texten ganz konkret über diese Zeit zu machen, würde mich auch nicht interessieren, so funktioniert mein Songwriting nicht. Ich bin eher der Typ, bei dem solche Ereignisse mit zwei, drei Jahren Abstand und unter anderen Vorzeichen ihren Weg in Songs finden. Trotzdem bin ich aber die ganze Zeit irgendwie beschäftigt.

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Gibt es denn überhaupt schon Pläne für das nächste Gisbert-zu-Knyphausen-Album?
Das braucht noch ein bisschen. Wir wollen im Herbst die Platte mit den Schubertliedern rausbringen, dann ist erst mal Husten dran, dann irgendwann ein neues Album von mir. Insofern können die Lieder gut noch eine Weile gären.

Wie beeinflusst die Situation deine Psyche?
Der richtige Frust kam, wie bei so vielen Leuten, im Herbst auf, als klar war, dass der Sommer ein trügerisches Gefühl der guten Laune vermittelt hatte und sich die ganze Sache noch sehr lange hinziehen wird. Das ist schon ziemlich deprimierend. Im November hatte ich so eine Phase, wo ich keine Lust mehr hatte, überhaupt noch irgendwas zu planen. Was sollen wir denn jetzt über unser Festival sprechen oder über die Schubertlieber-Platte, wenn wir sowieso alles wieder verschieben müssen? Aber Leute wie Benjamin Metz, mit dem ich das Heimspiel-Knyphausen-Festival mache, und mein Booker haben mich mit ihrem Optimismus wieder angesteckt. Seitdem versuche ich meinen Frieden damit zu machen, dass man jetzt eben immer Sachen plant, die eventuell wieder verschoben werden müssen. Diese ganzen Pläne trotzdem zu machen, ist auch eine gute Prüfung in Gelassenheit.

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