Goldkehlen für Burli

Der belgische Mädchenchor Scala singt nun deutsche Alternative-Pop-Hits nach

Die liebe Sonne? Ein Heißluftballon? Eine eletanteske Familienpizza? Wäre dies eine Scharade, es gäbe viele Interpretationen für die rudernden Armbewegungen, die Stijn Kolacny da unermüdlich auf der Bühne vollführt. Tatsächlich animiert er damit 40 belgische Mädchen mit schwarzen Shirts, weißen Hosen und streichzarten Stimmen zu einer hochemotionalen Darbietung der Tote-Hosen-Karnevaleske „Walkampf‘: „Schieb den Wal, schieb den Wal“, intonieren die Mädchen mit dem gebotenen Ernst eines klassischen Chors, „schieb den Wal zurück ins Meer“, singt das Publikum und trampelt dabei vor Behagen derart irr mit den Füßen, daß die Tribüne bebt. „Ihr seid als Publikum wie Hammer“, ruft enthusiasmiert der Dirigent. All das findet in einer Tropfsteinhöhle im Sauerland statt – eine schöne Gelegenheit, sich all der Anlässe zu schämen, bei denen man das Wort „bizarr“ zu leichtfertig im Munde geführt hat.

Ursprünglich gründeten die Kolacny-Brüder Stijn und Steven (der die Arrangements verfaßt und am Klavier begleitet) ihre Mädchensinggruppe Scala als klassischen Chor, vor drei Jahren stellten sie ihr Repertoire auf Pop um und sangen fortan Stücke von Radiohead, Nirvana oder The Verve in ernsthaften Chorarrangements. Das Debütalbum „Dream On“ war letztes Jahr vor allem in Deutschland erfolgreich.

Mit „Grenzenlos“ erscheint nun ein komplett deutsches Album — eine eigentümliche Bestandsaufnahme von Julis „Perfekte Welle“ übers Sportfreunde Stillersche „Kompliment“ bis zum „Du trägst keine Liebe in dir“ von Echt. „Es klingt einfach hübsch, wenn man deutsche Wörter singt“, erklärt Steven, „vielleicht nicht für Deutsche, aber für uns schon. Breiti von den Toten Hosen hat zu uns gesagt: Endlich wird ,Hier kommt Alex‘ einmal so gesungen, wie es sich eigentlich gehört.“

Schon auf „Dream On“ kokettierten die Kolacny-Brüder mit dem Spannungsverhältnis zwischen mädchenhafter, Bambi-äugiger Arglosigkeit und expliziten Texten. Fällt es den Mädchen schwer, schmutzige deutsche Wörter zu singen? „Du meinst so was wie Arschloch‘?‘, fragt Chormädchen Katrien Raskin. „Wir denken nicht daran, was es heißt, wenn wir das singen.“ Echte Schwierigkeiten gab es dann, als in Rammsteins „Mutter“ vom Vorgang des „Nippel lecken“ die Rede war. „Nippel“ stand einfach in keinem Wörterbuch“, sagt Stijn. „In solchen Fällen rufen wir dann manchmal einfach das Label an und fragen: Bitte, was ist Nippel?“

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