Gratis-Sounds für alle

Herbst 1998

Sie steckten mich mit jemandem zusammen, der ständig Party machte und Kurse schwänzte, um obskure Rap-Songs runterzuladen“, erzählt Shawn Fanning von seiner Zeit als Erstsemester an der Northeastern University, wo ihm die Idee für Napster kam. Zehn Jahre ist das jetzt her. ,Am Wochenende kamen seine Freunde zum Feiern, und er versuchte zu erklären, wo er die Musik her hatte.“ MP3-Dateien runterzuladen dauerte damals noch ewig, und die Qualität ließ oft zu wünschen übrig. Fanning selbst verwendete eine Art Instant-Messaging-Programm, um Songs zu tauschen, dachte aber, es müsste einen einfacheren Weg geben. Bald beschäftigte ihn die Entwicklung von Napster so sehr, dass auch er anfing, den Unterricht zu schwänzen. Im Januar 1999 brach er das Studium ab und zog als Untermieter in das Büro seines Onkels in Massachusetts, um sich ganz auf Napster zu konzentrieren.

Die ersten Versionen des Programms überließ Fannmg ein paar Freunden zum Testen. „Dann bekamen es auch Leute in die Hand, die ich nicht kannte“, sagt er. „Der Server hatte die Maximalzahl von 100 Usern schnell erreicht.“ Innerhalb weniger Monate zog Napster Hunderte, Tausende, dann Millionen Nutzer an, die alle digitalisierte Songs tauschten, ohne etwas dafür zu bezahlen. Als die Musikindustrie endlich mitbekam, was da lief, hatte sich Napster schon längst wie ein Buschbrand verbreitet.

Am Höhepunkt des Booms im Sommer 2000 gab es 58 Millionen registrierte Nutzer, die über 450 Millionen Stücke zum Tausch anboten. In einer Reihe von Prozessen, die sich über zwei Jahre hinzogen, wurde Napster- mittlerweile ein richtiges, im kalifornischen San Mateo beheimatetes Unternehmen – von Metallica, Dr. Dre und dem Verband der amerikanischen Musikindustrie (RIAA) wegen Copyright-Verletzung verklagt. „Mann, ich hoffe, sie finden einen Weg, Napster am Leben zu erhalten“, barmte hingegen Aerosmith-Gitarrist Joe Perry damals gegenüber dem Rolling Stone. „Nirgendwo kannst du besser in der Vergangenheit rumwühlen.“

Auch als Napster zumachen musste und als Bezahlservice wieder auferstand, tauschten Musikfans weiterhin millionenfach illegal Dateien über Dienste wie Morpheus oder Kazaa. Die Musikindustrie, die den Einbruch der CD-Verkaufszahlen auf das File-Sharing zurückführte und sich nicht anders zu helfen wusste, begann im Sommer 2003, einzelne User mit Klagen zu überziehen. Erst in jüngster Zeit zeigt die Prozesswelle Wirkung. „Napster hat den Leuten gezeigt, dass man auch anders an Musik rankommt“, resümiert Fanning. Jetzt sind sie nicht mehr bereit, zum alten Modell zurückzukehren.“

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