Großstadt-Mythen aus Hamburg: Die Lovekrauts machen das Ding rund

Chris Kiel ist Stier im Sternzeichen, und er wirkt auch so. Unerschütterlich seine Selbstsicherheit, kräftig der Nacken, der Gang gelassen. Beim Konzert der Black Crowes will er am Bierstand vordrängeln. Das Mädchen am Tresen, verwirrt von seiner charmanten Attacke, weist ihn ab. Chris, locker: „Sie hat mich angelächelt. Da kann man es ja mal versuchen.“

Der Kieler Klempner und wuchtige Sänger des Hamburger Soulrock-Quintetts Lovekrauts will Erfolg. Als Kellner fing der Boxfan in der Reeperbahn-Spelunke Lemitz an. Dann hatte er die Frechheit, im Punk-Keller Molotow eine Haus- und Tanz-Kapelle zu gründen – und dort Soul zu spielen. Das Publikum war amüsiert, Martin Feld staunte: „Zu der Zeit war Soul mega-out.“ Deshalb gründete der Gitarrist mit Chris die Lovekrauts.

Dazu gesellten sich Musiker, die hier fehlbesetzt scheinen: Schlagzeuger Enno Friesland kommt von den Goldenen Zitronen, Bassist Ray Krüger spielte zuvor bei Gret Palucca, Keyboarder Space Huber gehörte Lumpen und Wesen an. Martin hat den Soul schon früh verinnerlicht, schloß sich jeodch dem Gitarren-Orchester Rossburger Report an. Chris wollte natürlich immer Musik machen, läutete in der Schule das Glockenspiel. Vor allem prägte ihn sein Mißmut über die Musik der 80er Jahre. „Von allem gefiel mir nur Prince.“

Ihr Bezug reicht weiter zurück und endet in den 90er Jahren mit dem Revival der 70er. „Wir gehören aber nicht auf die Retro-Schiene“, knurrt Chris. „Zu unseren Einflüssen zählen Blues, Soul, Funk wie die neuere Pop-Geschichte.“ Ihre Songs sind nie neu, doch oft anders. Ihr Debüt-Album „Supersausage“ besticht, weil sie fast unmerklich traditionelle Melodien mit Dance-Elementen, Steely Dan und Motown-Disco, Blues-Rock und Orgel-Ekstase zu einem urbanen Groove verbinden. Wer nörgelt, erklärt Chris knapp: „So bin ich, so ist das Ding, das ist rund. Alles andere ist egaL“ Leicht zornig reagiert der Kotelettenträger auch auf Fragen zu den Klamotten, den rosafarbenen Hemden mit breitem Kragen und blauen Anzüge mit Weste, die Zuhälter in „Starsky & Hutch“-Folgen tragen. „In Las Vegas ist so etwas noch immer Mode. Hey, die Hose ist cool, sieht sexy aus, ich kann enge Hemden dazu anziehen.!“ Das ist ein Lebensgefühl. Wer wie Chris aussieht, muß nichts erklären.

Die ganze Band ähnelt Kapellen, die in Nachtclubs der 70er Jahre aufgetreten sind. Es ist den Lovekrauts zu glauben, daß sie den besten Gig im Sex-Theater Safari gegeben haben. Ihre funkige Single „Boogie Street“ huldigt daher dem schmuddeligen Amüsier-Viertel St. Pauli, ihrem Dorf. Chris wohnt in einem Betonbau der 70er Jahre, der als Hurenbunker und Horror-Hochhaus zur Kultstätte wurde. „Wer mit 20 aus einer Kleinstadt abhaut, landet auf dem Kiez“, sagt Chris. Von diesen Großstadt-Mythen singt er. Sie heißen „Funky Money“, „I Can’t Stand“, „Hard Day“ – wunderbar wahre Klischees über Glamour, Dreck, Mädchen.

Vor zwei Jahren eröffneten die Lovekrauts für die Beach Boys ein Konzert in Hamburg. Der Glücksfall wurde ein Desaster. Chris weiß: „Als Vorband hat man verloren. Ich muß den Abend für mich haben.“ Er blickt aufs Publikum der Black Crowes: „Im nächsten Jahr, ihr Scheißer, seid ihr bei mir!“

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