Haldern-Festival – Haldern, Alter Reitplatz

Auch in diesem Jahr sorgte die familiäre Atmosphäre beim Haldern-Festival für einzigartige Popmomente. The Divine Comedy spielen gar mit Musikern aus der Region.

„Aber was hab ich denn gemacht?“ Adam Green steht ziemlich ratlos allein auf der Bühne. Gerade hatte er sich vom Publikum zu einer Zugabe überreden lassen, war ohne seine Band noch einmal zurück auf die Bühne geschlurft und bei seiner Soloversion des Libertines-Songs „What A Waster“ wollte ihm die zweite Strophe nicht mehr einfallen. Doch das Publikum johlte, als hätte er soeben den perfekten Popsong preisgegeben. Das hatte er zuvor auch getan. Mit einem Programm gespickt mit neuen Songs kunstfertigen Stilübungen und süchtig machenden Melodien. Die Fans gaben ihm dafür Herz, Seele sowie 12 000 klatschende Hände. Der Jubel beim vermurksten Libertines-Stück war da nur konsequent. So wie man trotzdem lacht, wenn der beste Freund vor Publikum einen schlechten Witz erzählt. Nirgendwo sonst ist das Band zwischen Künstler und Publikum stärker als in Haldern. Schon am Nachmittag hatte sich ein lustiger, bierseliger Nicolai Dunger mit Pilzkopf und Badelatschen nach dem ersten Stück „My Time Is Now“ vom begeisterten Publikum dazu hinreißen lassen, danach seine epischsten Songs in voller Länge aufzuführen. Bei dem Live-Comeback der Belgier dEUS schien jeder auf dem Reitplatz stimmlich mithelfen zu wollen – von „(For The) Roses“ bis „No More Loud Music“.

Der zweite Tag des Festivals stand im Zeichen zweier alter Haldern-Lieblinge: Paul Weller und The Divine Comedy. Auch wenn eine der Überraschungen die Kings Of Leon waren, die so engmaschig und nach vorn spielten, wie sie es auf Platte nicht vermitteln können. Lag es daran, dass ihnen Paul Wellers Sohn zuvor hinter der Bühne einen Besuch abgestattet hatte? Der Modfather selbst wirkte backstage so locker, dass man sich für den Gig berechtigte Hoffnungen machte. „Has My Fire Really Gone Out“ und „My Ever Changing Moods“ gerieten famos. Dann jedoch fing ihn seine schweinerockende Band ein und ließ ihn bis zu „Town Called Malice“ nicht mehr los. Der im Publikum geschwenkte Union Jack wirkte da so deplatziert wie bei einem E Street Band-Konzert.

Abschließend wurde es Zeit, das verschwitzte Hemd zu wechseln, denn alle erwarteten die Sternstunde des Festivals. Neil Hannon führte vor glitzerndem Bühnenhintergrund mit niederrheinischem Orchester seine Divine Comedy auf. Von „Becoming More Like Alfie“ bis zu „Absent Friends“ – inklusive einer euphorisierenden Version des Queens Of The Stone Age-Klassikers „No One Knows“. Im Scheinwerferlicht sah das blasse Männlein aus wie Ichabod Crane, doch es führte uns aus dem dunklen Wald ohne Hölle und Fegefeuer direkt ins Paradies. In einer besseren Welt würde Neil Hannon diesem Orchester bis in alle Ewigkeit vorstehen, und man würde ihm einen bequemen Sessel on the cover of the Rolling Stone aufstellen.

Danach fanden nur Wenige den Schlaf Die meisten trieb es ins ROLLING STONE-Spiegelzelt, wo die Dresden Dolls und die wundervollen Das Pop die Nacht zum Tag machten. Um fünf wankten die letzten Gestalten orientierungslos durchs Dunkel zu ihren Zelten. Im nächsten Jahr sehen wir uns wieder. Bis dahin: „Raise your glasses to absent friends.“

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