HipHop habe er entdeckt. Nun entdeckt Jazz-Zampano Joe Zawinul gar Afrika

Bescheidenheit ist eine Zier. Sie taugt aber wenig, wenn man als Sohn einer Wiener Arbeiterfamilie die Musikwelt erobern will. Und genau das ist Zawinul gelungen. Viel confidence brauchte er dafür: unerschütterliches Selbstvertrauen. Joe hielt sich für den Größten.

Und er war der Größte. Mit Miles Davis und Weither Report läutete er für den Jazz das elektrische Zeitalter ein. Von Mali bis Finnland wandeln noch heute Musiker auf Spuren, die Zawinul, Wayne Shorter, Jaco Pastorius und Co. in den Siebzigern auf damals neuem Terrain hinterlassen haben.

In den späten Achtzigern knüpfte das Zawinul-Syndicate da an, wo Weather Report 1985/86 aufgehört hatte. Auch deren viertes Opus „My People“ ist ein raffiniertes, meist tanzbares Geflecht von Stimmen, Instrumentallinien und sich überlagernden Rhythmen. Es ist eine Hymne auf die Freundschaft zu den „guten Leuten, die es in einem jeden Stamm gibt, so wie es auch in jedem Stamm Arschlöcher gibt“. Im Vordergrund stehen Sounds und Grooves: „Wann i den Sound hab, hab i die Musik. Dann laß i den stehn für a paar Minuten“, so Joe. „Und dann drah i auf und spiel für a lange Zeit, und da is immer was dabei.“ An die 35 Musiker sind mit verantwortlich dafür, daß „My People“ mal nach Westafrika klingt und dann wieder lateinamerikanisch oder osteuropäisch – vom indischen Gitarristen Amit Chatterjee über Percussionisten von nahezu allen Kontinenten und Jodelklänge der Gruppe Broadlahn bis hin zu Sängern wie etwa Salif Keita aus Mali, dessen Ethno-Chart-Erfolg „Amen“ Zawinul produziert hat.

Überraschend großen Wert legt Joe dennoch darauf, daß bei seiner „wirklichen Weltmusik“ keine konkreten Wurzeln spürbar werden: „Das klingt im Ernst nicht afrikanisch. Ich hör mir keine Musik an von Afrika oder Brasilien. Was ich mir anhöre, sind Sprechrhythmen. Die Wiener klingen zum Beispiel beim Reden wie ein walkingbass. Da kann ich was rausnehmen.“ Klassik sagt Zawinul nichts, Rock ist für ihn monoton, andere Instrumentalisten hört er sich kaum an, schon gar nicht die „total langweiligen young lions“ des Jazz. So wichtig ihm im Alltag das Zusammensein mit my people ist – wenn es um Musik geht, gibt sich Zawinul selbstgenügsam. Er hält sich für „so gut wie Beethoven und Mozart“, hat die stärkste linke Hand („a Wahnsinn“) und beherrscht jedes Instrument nach nur einem Monat.

Ganz nebenbei will Zawinul in den frühen Siebzigern den „Hip-Hop-Beat“ erfunden haben: „Aber die Schlagzeuger ham des nicht verstanden. Die spielen des heute noch nicht richtig. Drum verwenden die meisten Stars des HipHop meinen Rhythmus.“ Zawinul beruft sich dabei auf den tatsächlich häufig gesampleten Song „125th Street Congress“ (1973). Hinter dem Falschspiel-Vorwurf steckt allerdings auch die – für ihn – bittere Wahrheit, daß sich nicht gleich jeder Groove am großen Meister Zawinul orientiert.

Im großen und ganzen aber hat er funktioniert, der Masterplan, den schon der kleine Josef aufstellte: „Eine Musik machen, die erstens auf meinem Mist gewachsen ist – und zweitens für alte Weiber genauso taugt wie für Kinder, für Schwarze in Harlem oder für die Wiener Oper.“

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