Hitzeschlacht auf dem Haldern Festival. Bei 40 Grad im Schatten überzeugt vor allem das überragende Line-up des zweiten Tages

REES-HALDERN, ALTER REITPLATZ. Kein Spaß ist das bei 40 Grad im Schatten. Doch gab es wieder viel zu sehen im beschaulichen Dörfchen am Ende der Welt: Evan Dando, wie er Limo trinkt, nach Gras bettelt oder mit einer Nebelmaschine beinahe einen Ordner erschlägt. Ed Harcourts nackten Oberkörper, auf den er besoffen „Cardigans“ gekritzelt hat. Conor Oberst in frisch erstandenen Badelatschen… Doch zur Sache: Der Freitag dünn besetzt – die guten Raveonettes waren gekommen, immerhin. Auch das Frank Popp Ensemble, denn zumindest eine unverzeihliche Fehlbesetzung sollte jedes Festival haben. Die sechs Mann vom norwegischen Kaizers Orchestra waren wohl allesamt Mitglieder im Tom Waits-Fandub, sorgten aber erstmals für so etwas wie Stimmung. Spätnachts noch Mondlieder von Aqualung: Matt Haies coverte „God Only Knows“, der Bruder half mit Man ließ sich gern einlullen.

Fabelhaft das Line-up am Samstag: Gescheiter Folk-Pop von Isolation Years aus Schweden und bald darauf Ed Harcourt – stimmlich ja so ein bisschen der Jeff Buckley Brightons. Die berückenden „She Fell Into My Arms“ und „Metaphorically Yours“, ohnehin seine besten Songs, gab er am Piano, der Rest war wüst und nicht ohne Emphase.

Evan Dandos Club-Konzerte im Mai waren wundervoll, doch weiß man, dass seine Unpässlichkeiten durchaus auch zu schlampigen und lustlosen Konzerten führen können. Indiz dafür: Nicht mal seine Band wusste, wo Evan sich vor dem Auftritt rumtrieb – und doch war er überpünktlich auf der Bühne. Die knappe Stunde: gehobenes Mittelmaß nur. Bis der Sonnenkönig der Slacker besagte Nebelmaschine als störend empfand: „Turn the fucking steam off! Now!“, bellte er, bevor er höchstselbst den zentnerschweren Klotz ausstöpselte und die Bühne hinunterwarf. Der Ordner, dessen Kopf nur knapp verfehlt wurde, schaute ungerührt zur Seite, als sei gerade eine Kastanie vom Baum gefallen. Fast wie die Lemonheads in den Chaosjahren!

Danach – natürlich meisterhaft: Bright Eyes. Die Pulle Rotwein stand bereit, auch Xylophon, Pedal Steel und ein trauriger Trompeter. Zudem hatte sich Conor Oberst ein arg dünnes Liebchen aus Amsterdam mitgebracht, das ihn wohl zusätzlich inspirierte: „Let’s just keep fucking!“ wandelte Oberst „Lover, I Don’t Have To Love“ leicht ab, „Bowl Of Oranges“ beließ er genauso brillant wie aufPlatte. Das altersweise Kind aus Omaha entfachte mit Leichtigkeit jene Magie, die entsteht, wenn alle im Bright Eyes-Orchester von einer Hand spielen. Etwas überraschungsarm der Gig der Cardigans, bevor Patti Smith mit William Blake-Rezitation, Bush-Schelte, „Pissing In A River“ und „Summer Cannibals“ mitreißen konnte.

An der kleinen Bahnstation wurde dieses Jahr weder geredet noch Musik gehört. Ein räudiger Hund aalte sich in der Sonne und verlor seine Haare. Es war einfach zu heiß.

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