Lemonhead Evan Dando ist zurück – aber keine Angst: Er ist immer noch derselbe Kindskopf

Es war um 1988 herum („Hmm… genau 1988“, sagt Evan Dando, denn überraschenderweise ist er ein Mann der Daten), ab die Lemonheads ihre letzte Europa-Tournee mit Gitarrist Ben Deily spielten, dessen High-School-Kiff-und-Plattenhör-Freundschaft mit Dando der Grund war, dass es die Band jemals gab. Deily hatte mittlerweile Heroin gekostet, etwas früher als Evan, weshalb die Freunde sich überwarfen und Deilys Abschied Dando die Chance gab, die Lemonheads als College-Rock-Sensation zu relaunchen – egal, der letzte gemeinsame Auftritt war ein Spaß, die Band kippte eine große, vom Essen übriggebliebene Schüssel Salat („Mit Dressing!“) ins Publikum, „und um Ben zu ärgern, spielte ich zu jedem seiner Songs immer nur das Riff von ‚Sweet Child O’Mine‘, no ne na na ni…“, singt Dando, bezaubert von der Erinnerung: „Oh, thefoUyofyouth!“ Die Kinderzeit ist nicht vorbei. Der wieder aufgetauchte Evan Dando redet von den Ungeheuerlichkeiten, der Therapiehölle und dem Tanz auf dem Dach von Glastonbury wie von kleinen Streichen, Episoden aus „Wir Kinder aus Bullerbü“. Den Trennstrich zwischen Jetzt und Damals zieht er nicht, und nur ein Foto seiner Frau Elizabeth (die auch auf dem Cover der Comeback-Platte „Bah Um Bored“ zu sehen ist) und eine relativ frische Tätowierung erinnern ihn daran, dass er im Moment sowas wie ein neues, erwachsenes Leben führt: „I was born to change the world“ hat er sich entlang der blauen Vene auf den linken Unterarm schreiben lassen, als Abschreck-Mantra für den Fall, dass die Nadel wieder zu nahe kommt.

Aber wie gesagt, es ist nicht vorbei. Dando (der seinen Vornamen, vom walisischen Vater und der schwedischen Mutter aus „Under Milk Wood“ genommen, mit kurzem E ausspricht) hatte nur ein paar Mal am Joint von „Taang Records“-Chef Curtis gezogen, bevor er den Auftritt spielte, der seine Platte bei der Firma Anti unterbringen sollte. „Und ich hatte mich noch gewundert, warum er nicht mitgeraucht hat – da war Angel Dust drin, das hat er mir untergejubelt, damit ich den Showcase vermassle und er die Platte bekommt. Ich wurde unglaublich high und habe das Publikum von der Bühne runter angeschrien, und die Anti-Leute dachten wohl: ,Ääh, das lassen wir lieber.“‚ Er hätte sich auch schwören können, nie mehr an fremden Zigaretten zu ziehen. Aber da waren noch andere Labels, kein Schaden.

Als Anfang der neunziger Jahre Nirvana die Nacht und die Lemonheads die Sonne dazu waren, als der „NME“ Dando und Bassistin Juliana Hatfield eine wundervolle Überschrift widmete („Birds do it, bees do it But have Evan and Juliana done it?“), sang er in „It’s A Shame About Ray“: „If I make it through today/ I’ll know tomorrow not to put my feelings out on display.“ Ein hilfloses Bekenntnis, denn weil er seine Musik unbedingt in jeden Haushalt kriegen wollte, zog er für Fotos auf Befehl das Hemd aus, gab ein prächtiges Surfer-Bild ab und entschuldigte Unpäßlichkeiten in Interviews damit, dass er am Vorabend zu viel Crack geraucht hatte. An den Drogen scheint Dando rückblickend vor allem zu bereuen, dass er über sie gesprochen hat. „Wer immer die Welt erschaffen hat, er hat den Mohn nicht zufällig auf die Felder gestellt“, das sagt er noch heute.

Viele dachten, Evan Dando sei so tot wie der Ray in seinem Song, weil sie sieben Jahre kein Foto gesehen hatten und sich nicht vorstellen konnten, dass dieser Mann freiwillig verschwinden würde. Wer aus purem Verdacht die Netzadresse evandando.com eintippte, konnte allerdings schon 1999 lesen, dass er gerade mit seinem Freund Ben Kweller im Volvo quer durch Amerika fuhr und Konzerte gab. „Von den 28 Leuten, die irgendwann mal Lemonheads waren, haben sich bis auf vier oder funfalle in Luft aufgelöst“, sagt Dando, selten nachdenklich. Ein paar Mal hat er in letzter Zeit von Ben Deily, dem alten Freund, geträumt“Ich muss ihn wiedersehen. Er wohnt in New Orleans, soweit ich weiß.“ Es ist herzzerreißend. Er hat nichts gelernt.

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