Holland in Not

Nimmt man einer Songwriterin die Klampfe weg, gibt's Ärger. Ein Klischee? Fragen Sie Jolie Holland

In unserer beliebten Reihe „Interviews, die wir lieber nicht gemacht hätten“ hält zwar bis heute Lou Reed anno 1989 unangefochten die Spitzenposition. Doch Ende März 2006 hat der paranoide Onkel vom dirty boulevard ebenso unverhofft wie ernsthaft Konkurrenz bekommen. Voila, hier kommt Jolie Holland, die wahrscheinlich unfreundlichste Texanerin. die es je nach Vancouver und dann nach New Orleans und letztlich nach San Francisco verschlug (wo die Mieten auch immer teurer werden). Woran liegt es? An meinem Geschlecht? An meiner Nase? An meinen Fragen? An ihrem linken Fuß, der heute partout zuerst aufstehen wollte? Am Frühling, der immer noch nicht da ist? Daran, dass ich sie ziemlich zu Anfang gefragt hatte, ob sie immer noch kellnern müsse, um ihre Musik machen zu können? Das könnte sein. Dieser schwere Atmer, nachdem sie leicht beleidigt verkündet hatte, schon „Catalpa“ (2003) habe ihr den Day- bzw. Night-Job erspart. Als ob der ehrenrührig wäre und ihre, tja, „Kunst“ beflecken würde. Immerhin räumt sie noch ein, sie könne es sich jetzt zum ersten Mal in ihrem Leben leisten, die Heizung richtig aufzudrehen. Und lacht dabei sogar, ganz kurz.

Auch in diesem Hotelzimmer ist es angenehm warm. Doch Jolie Holland, die ihre blauen Augen halb unter einem roten Haarmantel tarnt, bleibt kalt wie der berühmte Fisch. Sogar Forellen haben wahrscheinlich mehr Humor und sind nicht so von sich selbst eingenommen. Hier sitze ich und lasse dich mal schön auflaufen. Was insofern schade ist, als man doch nach dem Hören ihres neuen und ziemlich vorzüglichen Albums „Springtime Can Kill You“ zu der Erkenntnis kommen durfte, diese Frau möchte nicht nur die zarte Liebespoesie von „Mexican Blue“ mit der Welt teilen. Und sich ihr auch mitteilen.

Naja, vielleicht bin ich einfach nur der falsche Repräsentant der Welt da draußen, gegen den ein „Stubborn Beast“ (auch ein Songtitel…) glaubt, sich einmauern zu müssen – hinter unsinnigen Gegenfragen, banalen Spitzfindigkeiten, der Aura einer Unberührbaren und dem Verweis auf blöde Konkurrenz, die ihre Karriere darauf baut, „immer nur wie ein kleiner Teil von Tom Waits“ zu klingen. Damals, noch in Austin, hat sie nie Live-Musik gesehen. In einer Stadt also, die – musikalisch gesehen – auf fast nichts anderem fußt. Holland vergrub sich lieber in subkulturellen Hinterhöfen, wo bei Benefiz-Konzerten halbnackte Frauen die Puppen tanzen ließen und schon mal satte 40 Dollar für irgendeinen Zweck zusammenkamen. Jolie Holland sagt dann: „Ich glaube nicht an Fortschritt und lineare Prozesse.“

Ich in dieser Dreiviertelstunde mit der unfreundlichsten Texanerin, die es je in die Welt zog, irgendwann auch nicht mehr. Als ich den Rekorder ausschalte und mich für das „Gespräch“ bedanke, steht Holland nur wortlos auf und greift sich die Gitarre, die dann doch noch geliefert wurde. Vielleicht lag’s daran. Sie hatte nämlich – sagt ihre kongeniale Assistentin – gehofft, ich sei endlich der Mann mit der Gitarre. Tja, und dann war ich nur der Typ vom ROLLING STONE. Poor Jolie…

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