US-Militär attackiert Netflix-Nailbiter „A House of Dynamite“

Der neue Film von Kathryn Bigelow simuliert einen Atombombenangriff auf die USA. Dabei läuft bei der Verteidigung des Landes einiges schief.

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Erst ist es nur ein kleiner Punkt auf einem Bildschirm. Eine Rakete, die irgendwo im Pazifik aufsteigt. Routine für das US-Militär, fast immer ist es keine echte Bedrohung. Doch dann wird immer mehr klar, dass sich hier eine mit Atomgeschoss besetzte Interkontinentalrakete direkt auf das amerikanische Festland zubewegt. 19 Minuten Zeit, um zu reagieren.

Das Albtraum-Szenario von „A House Of Dynamite“ dürfte gerade viele Netflix-Zuschauer hochschrecken. Dort ist der neue Film von Adrenalin-Expertin Kathryn Bigelow nur wenige Wochen nach dem Kinostart zu sehen. Gleich dreimal zeigt der Film, wie die Zeit erbarmungslos abläuft und wie hilflos die Sicherheitsbehörden und selbst der US-Präsident reagieren, um das Ende der Welt zu verhindern.

Der erschütternde, meisterhaft inszenierte Film kennt keine Gnade, auch wenn er entscheidende Details bewusst nicht zeigt. Müsste es nicht eine Raketenabwehr geben? Ja, aber sie scheitert in „A House Of Dynamite“. Eine Rakete fällt aus, eine andere verfehlt das Ziel. Im Film heißt es kühl: „Es ist, als würde man eine Kugel mit einer anderen Kugel treffen wollen“.

Pentagon wütend über „A House Of Dynamite“

Die Missile Defense Agency (MDA), also die dem Pentagon unterstellte US-Behörde, die das nationale Raketenabwehrsystem steuert, ist wütend über die Darstellung in dem hyperrealistischen Thriller. 50 Milliarden Dollar Kosten für eine Trefferquote von 61 Prozent? „Bloomberg“ spricht von einem internen Memo, in dem wütend zurückgewiesen wird, dass die US-Raketenabwehr als zu teuer und ineffektiv gilt – wie „A House Of Dynamite“ andeutet.

Wörtlich heißt es in dem Memo: „Die fiktiven Abfangraketen im Film verfehlen ihr Ziel. Wir verstehen, dass dies als dramatisches Element gedacht ist, um das Publikum zu unterhalten, aber die Ergebnisse aus realen Tests erzählen eine völlig andere Geschichte.“ Mit anderen Worten: Die tatsächlichen Fähigkeiten der USA zur Abschreckung würden unterschätzt.

Die MDA spricht in dem Memo von einer gesicherten „100-Prozent-Trefferquote“, in mehreren Test seit Jahrzehnten nachgewiesen. „Die Kosten sind hoch, aber bei weitem nicht so hoch wie die Kosten, wenn eine nukleare Rakete unser Land träfe.“

„Bloomberg“ zitiert allerdings auch eine Physikerin namens Laura Grego (vom US-Thinktank Union of Concerned Scientists), die von Tests berichtet, bei denen die Trefferqoute deutlich unter 100 Prozent lag. Abgesehen davon handele es sich, so die Wissenschaftlerin, bei dem in dem Film vorgelegten Szenario um das „denkbar einfachste Szenario“.

„A House Of Dynamite“ ist als Warnung gedacht. Noch bevor der Film startet, wird mit einer Texttafel klargestellt, dass zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges die Zahl der Atomwaffen wieder steigt und es mehr Akteure gibt, die sie einsetzen könnten.

Marc Vetter schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.