I hope I die before I get sold

Das Musikgeschäft mag darben, doch ein Sebment boomt wie nie: Für die Rechte an alten Popsongs zahlen Werbe-Agenturen inzwischen Millionen. Ein leicht verdientes Zubrot? Oder aber der Ausverkauf von Idealen, die untrennbar mit den Songs verbunden waren?

Böse Vorahnungen überkommen mich, als ich die Stimme unseres Managers auf dem Anrufbeantworter höre. Und richtig – man hat uns (den Doors) mal wieder säckeweise Geld geboten, damit wir einen unserer Songs als Hintergrundmusik für einen Werbespot freigeben. Sie wollen nicht aufgeben! Wahrscheinlich können sich diese Betonköpfe einfach nicht vorstellen, dass nicht jeder auf dieser Welt käuflich ist. Vielleicht, weil sie nicht nur die Welt da draußen zementieren, sondern auch ihre Seelenlandschaft. Kein Platz für Fantasie in den Führungsetagen.

Am Dienstag kam ein Anruf von Apple – sie hatten voreiligerweise bereits „When The Music’s Over“ in einen Spot montiert und wollten ihn am nächsten Wochenende ausstrahlen. Sie boten uns anderthalb Millionen Dollar dafür. Anderthalb Millionen! Apple ist ja fraglos ein ziemlich hipper Laden… wir arbeiten auch mit Computern… verdammt! Warum musste Jim (Morrison) nur so ein integrer Mensch sein?

Ich bin davon überzeugt, dass wir es nicht tun sollten. Wir brauchen das Geld nicht. Aber ich werde derart unter Druck gesetzt von einem bestimmten Bandmitglied. (Kleiner Tipp: Er trägt eine Brille und spielt Keyboards). „Werbung schafft uns ein neues Publikum“, meint er. Ich frage ihn: „Also geht es dir nicht ums Geld?“ Er sagt Nein, aber jedes Mal, wenn wir wieder so ein Angebot auf den Tisch kriegen, will er als Erstes wissen „Wie viel?“ – und ist dann immer einverstanden. Und man hört auch nie von ihm, dass wir es wie Robin Hood den Armen geben sollten. Wenn ich etwas von Jim gelernt habe, dann ist es Respekt für das eigene Werk. Und deshalb muss ich ablehnen.

Zum Glück hat Jim damals, 1965, festgelegt, dass wir alles teilen und jeder sein Veto gegen einen Gruppenbeschluss einlegen kann. Nur dass natürlich jedes Mal, wenn ich ablehne, das Angebot umgehend verdoppelt wird!

Alles fing 1967 an, als Buick 75000 Dollar auf den Tisch legen wollte, um mit „Light My Fire“ sein brandneues Automobil zu verhökern – den Opel. Wie man weiß – zumindest diejenigen, die meine Autobiografie gelesen oder Oliver Stones Film gesehen haben waren Ray, Robby und John (das bin ich) dafür. Jim war gerade unterwegs. Er kam zurück und rastete komplett aus. Er rief bei Buick an und sagte ihnen, wenn sie den Spot sendeten, würde er im Fernsehen einen Opel mit einem Presslufthammer zerlegen. Eine tolle Reaktion, rückblickend gesehen. Vermutlich einer der Gründe, warum ich den Typ so vermisse.

Eigentlich ging es sogar noch früher los, 1965, als wir noch eine Garagenband waren und Jim uns vorschlug, wir sollten alle Autorenrechte und Einnahmen brüderlich teilen. Da er kein Instrument spielte – er brachte tatsächlich keinen einzigen Akkord zu Wege, weder auf dem Klavier noch auf der Gitarre, aber dafür quollen ihm Texte und Melodien förmlich aus den Ohren – war diese Idee vom gemeinsamen Topf ein regelrechtes Love-in. Damit keiner auf dumme Gedanken kommen konnte, ergänzte er das Ganze durch ein Vetorecht. Ein schönes, demokratisches Konzept… nur werden die Kanäle zwischen den verbliebenen Doors leider zunehmend durch blödsinnigen Bürokratismus verstopft Vielleicht brauchen wir so etwas eine neutrale Instanz.

Was war die ursprüngliche Absicht? Freiheit und Gerechtigkeit für alle Songs – und das Streben nach Glück. Doch was ist Glück? Mehr Geld? Mehr Ruhm? Die Vietnamesen glauben, dass man mit Glück geboren wird und deshalb nicht mehr danach zu suchen braucht. In meiner Jugend haben wir versucht, ihnen diesen Gedanken aus den Köpfen zu bomben. So wie es aussieht, könnten wir damit Erfolg gehabt haben.

Das klingt alles ziemlich deprimierend. John, was soll das? Ist es nicht so, dass sich die ganze Welt hoffnungsvoll und Schritt für Schritt in Richtung Demokratie bewegt? Schon besser. Ach ja, das Gier-Gen. Vaclav Havel hatte so Recht. Als er nach dem Fall des Kommunismus tschechischer Präsident wurde, sagte er: „Wir wollen nichts überstürzen, denn wir wissen schließlich, dass der Unterschied zwischen KGB und IBM nicht allzu groß ist.“

Holla! Hier kommt noch einer: „Lieber John Densmore, mit diesem

Brief bieten wir Ihnen bis zu einer Million Dollar, wenn Sie als Prominenter für unser Produkt werben. Unser Diätund Fitness-Programm ist das beste auf dem Markt, die Erfolge sprechen für sich. Das einzige Problem: Unser Prominenter muss übergewichtig sein und durch vierwöchige Einnahme unseres Produkts bis zu 20 Pfund überschüssiges Fett verlieren. Wenn Ihre Werbung in unserer repräsentativen Zielgruppe einschlägt, erhalten Sie sofort 10000 Dollar bar auf die Hand und von da an regelmäßige monatliche Zahlungen – bis zu einer Million und mehr.“ Wow! Mal sehen…ich wiege seit 35 Jahren 62 Kilo… da müsste ich mir einiges anfuttern… ein bisschen wie Robert DeNiro, der hat für „Raging Bull“ 50 Pfund zugelegt – und einen Oscar gewonnen! Ich bin schließlieh auch Künstler.« Früher haben wir unsere Dörfer und Städte um Kirchen herum gebaut. Heute bilden Banken das Zentrum. Ich weiß, wir leben in den 90ern… Nein, John, in einem neuen Jahrtausend, du Dinosaurier! Rock-Dinosaurier um genauer zu sein. Meine Haare sind nicht mehr so dicht wie früher, ich rauche nicht mehr so viel Gras und ganz oben habe ich sogar eine kleine kahle Stelle. Der Dollar ist allmächtig, und Werbespots sind cool, so cool wie die coolsten Rock videos.

Warum musste Jim darauf bestehen, wir seien „erotische Politiker“? Wenn ich Drummer bei den Grassroots z.B. gewesen wäre, hätte es mir vermutlich nicht das Herz gebrochen, dass mit John Lennons „Revolution“ für Turnschuhe geworben wird – und dann auch noch Nikes! Dieser Song war der Soundtrack eines Teils meiner Jugend, als die Straßen voll waren mit engagierten Bürgern, die das Recht auf Redefreiheit für sich in Anspruch nahmen. Hey – heute sind die Straßen wieder voll! Oder waren es zumindest, vor dem 11. September. Und sie protestieren gegen das, was ich hier lang und breit zu erklären versuche. Die Gier der Großunternehmen! Vielleicht sollte ich bei meiner Musik bleiben. So wie 1996, als ich mit Bonnie Raitt für die Demokraten ins Feld zog. Wir spielten für die Truppen auf. Bob Hope hat das im Zweiten Weltkrieg auch gemacht, nur dass unsere Truppen in Bermuda-Shorts und Dreadlocks rumlaufen.

Manche haben auch ganz kurze Haare, Militärstil, aber sie sind trotzdem bereit, gegen den Orwellschen Albtraum zu kämpfen. Eine meiner Aktivisten-Freundinnen hat mal gesagt, was unter der Oberfläche dieser schönen neuen Welt brodelt, wird die Unruhen der 60er aussehen lassen wie Kindergekabbel im Sandkasten. Ich will keine „Anarchie, jetzt“, das ist eine ausgelutschte Hippie-Phrase, aber ich würde in diesem unseren Lande gerne wieder so etwas wie eine Mittelklasse entstehen sehen.

Europa scheint es da im Moment besser zu gehen. Sie sind grüner als wir. Sie fürchten sich vor unseren genetisch veränderten Lebensmitteln und versuchen, die NATO ein bisschen unabhängiger zu machen, falls wir in unserer Rolle als Weltpolizist über die Stränge schlagen. Als die Doors 1967 das erste Mal auf der englischen Insel spielten, schienen auch die Plattenfirmen ein wenig vernünftiger zu sein. Die Händler in England bestellten bloß, was sie glaubten, auch tatsächlich verkaufen zu können; es gab keine Remissionen an die Plattenfirmen. Das verhinderte den unglaublichen Hype, der in diesem Land immer noch produziert wird, mit diesem endlosen Geschwafel über „Doppelplatin“ bei Veröffentlichung – und dann landet die Hälfte der CDs im Lagerhaus.

Unsere Band war bei Elektra unter Vertrag, einem kleinen Folk-LabeL zusammen mit Judy Collins, Love und der Butterfield Blues Band. Wir konnten den Boss, Jac Holzman, jederzeit anrufen und ein kleines Schwätzchen halten und zwar bevor wir groß rauskamen. Na ja, Jac hat den Laden dann 1970 für zehn Millionen verkauft, und wir gehörten ab sofort einem Großkonzern. Heute liegt das ganze Musikbusiness in den Händen von fünf multinationalen Unternehmen, die nur auf die Verkaufszahlen schielen. Wenigstens gehören wir nicht zu Seagram’s! Obwohl, vielleicht würden die uns dann kostenlos mit Schnaps beliefern… Na ja, vermutlich nicht. Vorschüsse sind dazu da, wieder reingeholt zu werden, und bei Spirituosen läuft das wahrscheinlich nicht anders.

Auch die unvergleichlichen englischen Künstler verfallen dem Lockruf

des Goldes. Pete Townshend fuhrt uns immer wieder an der Nase herum und verkauft Who-Songs an Yuppies, die nach Geländefahrzeugen gieren. Ich hoffe, Sting hat die Regenwald-Schamanen, mit denen er so gerne rumhängt, in dem von ihm beworbenen Jaguar nach Hause gefahren, denn so gediegen dessen Wurzelholz-Interieur auch ist: Der Wagen – benannt nach einer vom Aussterben bedrohten Tierart – schluckt Benzin wie blöde.

Diejenigen, die mich aus den 60ern kennen, mögen jetzt vielleicht sagen, dass diese Tirade ein bisschen selbstgerecht klingt, weil ich damals auch unter dem Namen Jaguar John“ bekannt war. Ich besaß den ersten XJ-6, der auf den Markt kam, lange bevor Steuerberater und Rechnungsprüfer damit herumkurvten. Später tauschte ich ihn gegen einen Rolls-Royce-ähnlichen Bruder ein, den Mark IV, einen Wagen mit geradezu astronomischem Benzinverbrauch. Damals begann ich mich zum ersten Mal ein bisschen wie ein Rockstar zu fühlen. Ich hoffe sehr, seit dieser Zeit ein paar Dinge dazugelernt zu haben, zum Beispiel, wozu eine ausgeplünderte Welt noch gut sein solL Außerdem ist es ja nicht zwingend notwendig, für die Produkte Werbung zu machen, die man selbst verwendet. Die Briten mögen mich vielleicht geißeln, weil „Riders On The Storm“ in den 70ern (nur in England) als Starthilfe für PS-starke Roadster diente, aber Jims Geist brachte mich schnell zur Vernunft und ich spendete meinen Anteil für wohltätige Zwecke.

Ich glaube, das polnische Mitglied unserer Band hat die Opel-Lektion immer noch nicht verstanden, aber ich bestehe darauf: drei Werbespots, und wir haben den Respekt unseres Sängers verloren. Jim ist tot!“, pflegt der Keyboarder auf solche Überlegungen zu antworten. Doch das ist genau der Grund, warum wir standhaft bleiben sollten. George Harrison, Friede seiner Asche, hatte dazu auch etwas zu sagen. Die Beatles „hätten Millionen Extra-Dollar mit Werbung verdienen können, aber wir dachten, es würde unserem Image und unseren Songs schaden“, sagte er. „Es wäre wirklich schön, wenn wir mit John (Lennon) darüber sprechen könnten, weil dieses Viertel von uns nicht mehr da ist – aber schließlich gibt es ja noch Yoko, die Hüterin des Beatles-Grals.“ Meinte er damit den Nike-Spot oder das hüllenlose John-und-Yoko-Cover, mit dem jetzt Wodka verkauft wird?

Immerhin waren es John und Yoko, die mich Anfang der 80er zu einer 10-Prozent-Kampagne inspirierten. John erwähnte in einem Playboy-Interview, sie würden die alte Tradition des Zehnten pflegen – und das blieb mir in Erinnerung. Wenn jeder zehn Prozent seiner Einkünfte geben würde, käme diese Welt vielleicht wieder ein bisschen ins Gleichgewicht. Nach meinen Berechnungen kann man da ab einem gewissen Grad an Wohlstand durchaus noch was draufschlagen. Letztes Jahr habe ich mit etwas Nervosität auf 15 Prozent erhöht, und sofort meldete sich das alte Gier-Gen wieder.

Wenn du in die Multi-Multi-Klasse aufsteigst, solltest du jedes Jahr die Hälfte abgeben. Nichts für ungut, Mr. Gates, aber Milliarden zu besitzen ist schlicht und einfach obszön. Ich weiß, dass Sie eine Menge spenden und, sicher, ich kann gut reden, aber ein bisschen kenne ich mich auch aus. Als der Doors-Film damals rauskam, verdreifachten sich auf einmal unsere Tantie-

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