„Ich bin immun gegen Verbitterung!“

Der Tag, an dem Gunter Gabriel freiwillig die Schnauze hält, kommt nicht so bald. Zwei CD-Editionen erinnern nun daran, dass er ja auch Musik macht

Zuletzt sorgte Gunter Gabriel für Furore, als er im Pro7-Promi-Hütterl „Die Alm“ in eine Milchflasche pinkelte, anstatt das Klo zu benutzen. Nun ist bei Bear Family Records der erste Teil einer großen Gabriel-Retrospektive erschienen, ^Freiheit ist ein Abenteuer“, und die deutsche Punk- und Indie-Szene ehrt den so genannten Liederboss mit der Tribute-Box „Ljebe, Autos, Abenteuer“. Zeit, mal über die Musik zu reden – oder doch lieber nicht?

Herr Gabriel, was glauben Sie: Was bewegt eine Punkband, einen Gunter-Gabriel-Tribute-Song aufzunehmen?

Einmal ist das die Erinnerung an ihr Elternhaus, wie sie „Hitparade“ geguckt haben. Ich muss scheinbar damals schon aus dem Rahmen gefallen sein, zwischen Roy Black im Samtanzug und Rex Gildo mit seiner Hasenpfote. „Ich werd gesucht in Bremerhaven“ war ’ne Sensation damals, in der „Hitparade“ sind alle vor Schreck aufgesprungen, dass ich es wagte, plötzlich deutsche Städtenamen aufzulisten. Außerdem haben gewisse Songs von mir auch eine Magie, eine Tiefe. Volker Lechtenbrink ruft mich manchmal an und erzählt mir, dass er so gerne „Der alte Mann und das große Haus“ hört, weil er dann so schön abweinen kann.

Sie singen über die Sorgen und Nöte der „kleinen Leute“, nannten sich früher auch Liederboss – sind Sie der deutsche Bruce Springsteen?

Ich hab mich geärgert, als der sich plötzlich „der Boss“ nannte, als ich schon längst so hieß. Ich find den Namen „Boss“ dufte. Boss, Boss, Boss – das hat so ’ne Gewalt! Das klingt einfach geiler als Chef. Chef, das geht so weich weg. Genau wie der Name am Anfang von „Hey Boss“: „Ich bin Bruno Wolf. Über den Namen habe ich lange nachgedacht Bruno Wolf. Wenn es hieße „Detlef Schmidt“, wär’s scheiße.

Nach Erfolgen in den siebziger Jahren ging es mit Ihrer Karriere in den Achtzigern bergab. Sie verloren Plattenvertrag und Millionen, lebten in einem Wohnwagen, jetzt auf einem Hausboot.

Mich hat immer die Philosophie gerettet. Schopenhauer, auch Hesse. Das waren meine Helden. Ich hab hier natürlich auch Kant, die ganzen Geschichten. Ich bin immun gegen Verbitterung. Ich sag immer, Wissen ist nicht nur Macht, Wissen ist auch Schutz. Kästner, Heine, Goethe. Auch Frauen haben mich gerettet. Wenn man in der Grütze ist, hat ein Mann nach einer Woche die Schnauze voll und haut ab, eine Frau nicht. Das ist das Krankenschwesternhafte. Dann kommt natürlich noch das Sexuelle dazu.

Singen Sie Ihre Lieder auch nur für die Frauen?

Ich bin ein Männersänger. Ein Männermann. Ich singe eher für Männer als für Frauen. Johnny Cash war ein Männersänger, Willie Nelson auch. Trotzdem liebe ich eine weiche, warme Brust. Momentan wird viel darüber diskutiert, dass Bands aus Deutschland ihre Herkunft thematisieren. Sie haben auch Lieder über Deutschland geschrieben, sind mit einer schwarz-rot-goldenen Gitarre aufgetreten.

Ich habe schon 1974 „Dies ist mein Land, wo meine Wiege stand“ geschrieben – auf der A3 bei Würzburg, auf einem Parkplatz, weil ich dachte, Frankenland, Mensch, was sieht das wieder geil aus hier! Ich würde nie sagen, ich bin stolz auf Deutschland. Ich bin aber gerne ein deutscher Junge. Ich fand geil, dass Horst Köhler nach seiner Antrittsrede gesagt hat: „Ich liebe dieses Land“ – ich hab sofort in seinem Büro angerufen und gesagt: „Ich bin dein Mann.“

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