„Identitäre Bewegung“ wird jetzt vom Verfassungsschutz beobachtet

ROLLING STONE berichtete über die „Identitäre Bewegung“, die sich als hippe rechte Subkultur darzustellen versucht. Nun wurde bekannt, dass der Verfassungschutz die Rechten beobachtet.

Der Verfassungsschutz hat die „Identitäre Bewegung“ unter Beobachtung gestellt. „Wir sehen bei der ‚Identitären Bewegung‘ Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“, sagte der Chef vom Bundesamt für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen.

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Der Sound der Neuen Rechten: Neofolk und die Identitäre Bewegung

Von den Verfassungschützern in neun Bundesländern – Bremen, Bayern, Hessen, Berlin, Baden-Württemberg, NRW, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen – wird die rechte Gruppierung bereits beobachtet. „Zuwanderer islamischen Glaubens oder aus dem Nahen Osten werden in extremistischer Weise diffamiert“, so Maaßen. „Deshalb beobachten wir die Bewegung nun auch.“

Die „Identitäre Bewegung“, zunächst in Frankreich und seit 2012 auch in Deutschland aktiv, inszeniert sich als hippe rechte Subkultur. In unserer Reportage „Der Sound der Neuen Rechten“ beleuchtete ROLLING STONE die Szene und ihre Antreiber, die sich mit „Neofolk“ als Soundtrack schmücken, und zu Konzerten von Bands wie Jännerwein pilgern.

Die Rechten geben sich smart

Auf ihren zahlreichen Instagram- und Facebook-Accounts inszenieren sich die Identitären mal als Kämpfer im Kraftraum, mal als Vorzeigeschwiegersöhne oder Pfefferspray verteilende Ehrenretter deutscher Frauen – deren Rolle man am besten unter dem Hashtag #identitariangirls erkunden kann. Böse Welt trifft heile Welt, die Rollen sind klar verteilt. Identität bedeutet für die junge Bewegung vor allem Heimatliebe und Patriotismus. Unter dem Schlagwort „Ethnopluralismus“ soll die „ethnische Kontinuität“ Europas gegen Migrantenströme verteidigt werden. Andernfalls drohe der „große Austausch“, -eine vom französischen Autor Renaud Camus geprägte Prophezeiung des Untergangs des Abendlandes.

Sprachrohr der „Identitären“ ist Martin Sellner, Student der Philosophie und Rechtswissenschaften, Themen seines Videoblogs heißen etwa „Heideggers widerständiges Denken“, „Genderwahn“ oder „Warum ich keinen Kebab esse“.

Sellner ist ein jovialer, etwas eitler Kumpeltyp, der die Kamera liebt. Auch dem ROLLING STONE gab er bereitwillig Auskunft. „Kennst du den Song von Tocotronic ‚Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein‘?“, begann er grinsend das Skype-Gespräch.

Popkultur sei ein wichtiges Element in der Bewegung, sagt der Wiener, der offen zugibt, bis vor sieben Jahren noch ein waschechter Nazi und Fan einschlägiger Rechtsrockbands wie Landser gewesen zu sein. „Ich war mehrere Jahre in dieser Szene und fand, dass da eine Verzweiflung vorherrscht, mit vielen depressiven, bitteren Menschen, was sich auch in der Musik und dem Lebensgefühl widerspiegelt.“

Als identitärer Neofolk-Fan kann man sich von einer „altrechten“, plump rechtsextremen Subkultur distanzieren (wie viele Neofolk-Protagonisten es selbst seit Jahren tun) und dennoch viele Kerngedanken beibehalten: Patriotismus, Tradition, Antimoderne und eine Stammessehnsucht, jenem „Tribalismus“ nicht unähnlich, den die Identitären den islamischen Kulturen unterstellen.

In der Heldenverehrung konservativer Ideologen finden Identitäre und Neofolker ebenfalls den Schulterschluss.

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