Ideologie der 90er Jahre: Die Krupps versöhnen den Metal mit der Elektronik

In den 80er Jahren war alles ganz einfach. Man mochte Puma-Turnschuhe und Iron Maiden oder Benetton und DepecheMode. Heute ist alles anders, weiß Jürgen Engler von den Krupps: „Die 90er Jahre erlauben es, verschiedene Sole zu mischen, ohne wie in den 80er Jahren ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.“ Darum trägt er nun lange Haare, den modischen Muckerbart, und redet er euphorisch von seinen Erfahrungen als „echte Band“.

Dieses Bild ist nicht neu, das weiß auch Engler, der noch vor drei Jahren einen Bürstenschnitt trug. Doch seine Vergangenheit bedarf der Erklärung und hat ihm zudem das Bedürfnis nach Klarheit gebracht- Anfang der 80er Jahre gründete er Die Krupps, ein Projekt mit Programm:

Metall-Percussion, Maschinenmusik, Marsch-Rhythmen. Ihr neu-wagnerianisches Album „Stahlwerksinfonie“ wurde fälschlich der Neuen Deutschen Welle zugeordnet, so wie alles an der Band einen totalitären Eindruck machte. Allein der Name provozierte Mißverständnisse. Daher ist es Engler wichtig, „klar zu sagen, wo man steht“. Immerhin wütete er bereits als 18jähriger bei der Punk-Gruppe Male gegen die „Polizei“. Punk sei die „Ideologie gewesen, für die ich alles getan habe“.

Für Engler gab es keine wirkliche Zäsur in seinem Schaffen. Immer schon definierte er Die Krupps als „Punkrock auf Keyboards“. Nach der Auflösung verlegte Engler als Label-Inhaber kleine Death Metalund Hardcore-Platten. Daraus entstand der Gedanke, „aus Metal und Elektronik für die 90er Jahre etwas Neues zu finden“. Er reformierte Die Krupps für das Album „I“ und trat bei Rock-Festivals an. „Seperate Stile würden die Fans trennen.“

Auf „Odyssey Of The Mind“ ist vieles dabei. Monolithisch schleifen Gitarren zu seinen „30 alten analogen Keyboards“, mit denen er satanische Sounds sowie stakkatohafte Techno-Intros arrangiert, die einen Film unterlegen könnten. „Ich mag weder Techno noch naiven Satanismus“, wehrt Engler ab. Er redet hastig und meist von Produktionsprozessen, als fürchte er, einen Punkt in seinem dialektischen Ansatz zu vergessen. Zuweilen berauscht sich Engler derart am eigenen Werk, daß er erkennt: „Ich habe noch keinen Abstand.“

Er glaubt, vieles in den Songs sei „poppig“. Sein Gesang klingt jedoch wie Grunzen aus der Hölle. Engler lacht, als wäre er ertappt worden: „Ich mußte in drei Tagen aufnehmen.“ Dann erst läßt er sich auf Gefühle ein. „Es ist eine Momentaufnahme aus dem Bauch heraus.“ Obwohl es ein Konzept-Album ist, sind die Texte introspektiver als die einstigen Schlagworte. „Bei ‚Isolation‘ ziehe ich in mich selbst zurück und verspüre die absolute Freiheit Der Titel-Song handelt vom Ausbruch, wenn man etwas neu machen sollte, und zwar nicht nur im Geiste. ‚Eggsell‘ benennt den breaking point, an dem man nicht mehr weiter kann.“ Seine amerikanische Frau Kim habe ihm beim Texten geholfen. „Wir waren damals in derselben Gemütslage.“

Für die „Zukunft der Welt“ sehe er „schwarz“, habe aber genügend Optimismus, um weiterzumachen. Jürgen Engler ist nach innerer Einkehr mit sich und seiner Musik versöhnt.

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