Ihre Rock-Fop-HipHop-Melange macht Bran Van 3000 zu den Beastie Boys für Jungliberale

Kinder. Die im Einkaufszentrum aufwachsen, wo alles zu haben ist und nichts was kostet Oder unter der Obhut unbeteiligt flimmernder Fernseher, was so ähnlich ist. Die später in eine Welt ziehen, die wie ein Einkaufszentrum ist, oder in ein Leben, das wie Fernsehen abläuft. Und die endlich eine Platte machen, die das Leben spiegelt. Beziehungsweise das Einkaufszentrum. Oder das Fernsehen.

Also kein Wunder, daß Bran Van 3000 erfolgreich sind, denn solche vagen Deutungen von Sinn und Sein lassen sie in den Augen ihrer Anhängerschaft zu Herolden „der neuen Generation“ werden. Als hätten die vorherigen Generationen nicht eine ganze Riege ähnlicher Vulgärphilosophen und Rabulisten – von Little Richard bis zu Lennon (zeitweilig) – aufzubieten.

Irgendwann hieß es mal, die Gruppe Bran Van 3000 habe 3000 Mitglieder. Stimmt das, Jamie Di Salvio? „Naja, es waren mal 36 Leute“, sagt der Sänger und Chef der kanadischen Rock-Pop-HipHop-Formation. „Aber man darf sich das nicht so vorstellen, daß die alle gleichzeitig in meiner recht winzigen Wohnung waren.“ Ein witziger Typ.

Da stehen sie, ordendiche Jugend in ordendicher Kleidung, trinken ordentlich Bier und sind höflich: Darf ich bitte mal durch? Der Auftritt ist für 9 Uhr angesetzt, um viertel nach neun wird die Unruhe zu lautem Gejohle, Verspätungen gibt es im Fernsehen nicht. Endlich kommt die Band: Drei Mädels singen den alten Slade-Hit „Cum On Feel The Noize“. Zwei sehen aus wie Anwärterinnen für eine „Babewatch“ Hauptrolle, die dritte erfüllt in mehrfacher Hinsicht (hellbraune Haut, Übergewicht) die Quote. Außerdem kann sie hervorragend singen.

Das Debüt „Glee“ ist immens erfolgreich angekommen. War ja auch alles da: hier ein bißchen Rap, da ein paar melodische Refrains, dort eine harte Gitarre, dazu witzige Texte, sogar etwas nachdenklich Stimmendes. Und nichts zu lang: eine Platte für Leute, die sich nicht lange konzentrieren können. Die Konzerte von Bran Van 3000 bringen jedes Haus zum Kochen, sagt man, und tatsächlich: Bereits nach dem dritten Song hopst der halbe Saal wild auf und ab. Es sind vor allem die Jungs, und man fragt sich, ob die Musik oder die Babes die Hormone in Wallung bringen. Die Beats sind nicht fett, dafür laut, die Raps konventionell wie ein Paar Hosenträger – die beiden Rapper wären in jeder Reihenhaussiedlung als Nachbarn akzeptabel. Das Konzert ist deutlich HipHop-lastiger als die LP, und das ist gut. Denn die Popsongs kommen live wie abgestandene, warme Cola rüber.

Der erste Hit des ehemaligen Filmemachers, DJs und Remixers Di Salvio hieß „Drinking In L. A.“: „Es ist ein melancholisches Lied über all diese Bukowski-Kinder, die mit 26 tagsüber in einer Bar sitzen und ihr Leben wegsaufen.“ Bukowski-Kinder?

Bran Van 3000 sind Chumbawamba oder Beastie Boys für junge Liberale, befreit von Bedeutungs- (Hippie-) Ballast, gegen Krieg, aber ohne John Lennon, für Spaß, aber ohne Alkohol. Und Drogen sind eh tabu. Dafür ist alles political correct: die Männer/Frauen-Quote und die Rassen-Quote (ein schwarzer Bassist). Irgendwann werden Cornflakes ins Publikum geschmissen. Hippies hätten da früher Zusammenhänge enttarnt: zwischen Kellogg’s und, sagen wir mal, dem Hunger im Sudan. Aber wozu sich den Spaß verderben lassen? Sie schmeißen eben Cornflakes – ist doch witzig, oder? Außerdem war Mittwoch: Es gab nichts Aufregendes im Fernsehen.

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