Im Schatten der Spots

Harald Schmidt will Oliver Pochers Assistent werden - aber um ein wirklich guter Fernseh-Sidekick zu sein, genügen keineswegs ein paar wohlfeile Witze

Die Frage, was wohl aus Manuel Andrack wird, wenn Harald Schmidt sich einen neuen Bühnenpartner sucht, quält die Fernsehnation nicht wirklich. Im Prinzip wird der Mann am Katzentisch nur so sehr fehlen wie Helmut Zerlett fehlte, als Schmidt von seiner Weltreise zurückkehrte und beschloss, sich künftig von der ARD für pure Leistungsverweigerung alimentieren zu lassen.

Dass er dieses Spiel nun noch weiterzutreiben gedenkt, zeigte sich, als er kürzlich ankündigte, demnächst nur noch gemeinsam mit dem Nichtkomödianten Oliver Pocher auf die öffentlichrechtliche Bühne zu wollen. „Pochi-Baby macht die Show, und ich mache hinten ,Supi!'“, kündigte er kürzlich vor Studenten der Uni Bonn an. Schmidt will also den Andrack geben, sich auf die von ihm erst offiziell ins deutsche Fernsehgeschehen eingeführte Rolle des Sidekicks zurückziehen. Geübt hat er dafür schon, als er sich zu Olympia an der Seite von Waldemar Hartmann präsentierte und dummbeutelige Moderationen mit halbgaren Witzchen garnierte.

Natürlich gibt es Sidekicks schon länger, Figuren also, die einer Größe zur Seite gestellt werden. Oft sind es Nebenrollen, aber sie haben vielfältige Funktionen. Sidekicks sind Anspielstellen, Projektionsflächen, Fußabtreter und wahre Helden. Immer wenn der Sidekick einen drauf bekommt, sammelt er Sympathien. Das erklärt den ungeheuren Erfolg von Herbert Feuerstein, der unter Schmidt den Sidekick in „Schmidteinander“ gab und sich dort als malträtiertes, aber höchst beliebtes Elend vom Dienst profilierte.

Dementsprechend groß war der Schock, als Schmidt sich in seiner Sat.1-Zeit den Bandleader Zerlett zum Anspielpartner erkor. Der war zwar ein nicht unbegabter Musiker, aber als Sidekick eine komplette Fehlbesetzung. Mehr als Abnicken und Einstecken war nicht drin. Ein ordentlicher Sidekick braucht ein eigenes Profil, ein gewisses Maß an Bauernschläue, das ihn die Tortur so ertragen lässt, dass er zumindest die Chance wahrt, der heimliche Gewinner zu sein.

Auch Andrack war in der Hinsicht eine Fehlbesetzung. Er spiegelte nur Schmidts überbordende Büdungsbürgerlichkeit in tiefergelegter Version. Es verwundert nicht, dass er in Wandervereinen und bei Biertrinkern als ganz große Nummer gilt.

Dabei hätte ein Blick in die Geschichte der Sidekicks genügt, um das Prinzip zu erkennen. Schon in grauer Fernsehgeschichte ließ sich Hans-Joachim Kulenkampff stets zum Ende seiner Show den Mantel bringen vom Butler Martin Jente. Den behandelte er mit der ihm eigenen, ins Arrogante tendierenden Jovialität, woraufhinjente seinem Chef immer wieder einen einschenkte, kurz, bitter, glasklar. Beide gewannen bei dieser idealen Form, und genau darauf kommt es beim Prinzip Sidekick an. Es muss die Waage gehalten werden zwischen Unterdrückung und Revolte. Sympathie gibt es für den Sieger und den Besiegten.

Sehr schön kann man das in der „Sesamstraße“ sehen, wo Ernie seinen Sidekick Bert immer wieder an den Rand des Wahnsinns treibt. Auch im Verhältnis von Asterix und Obelix sind die Rollen klar verteilt, wenn auch meist mehr kumpelige Liebe durch die Sprechblasen weht, als einer ordentlich Sidekick-Liaison angemessen erscheint.

Sidekicks treiben Geschichten voran. Sie legen den Ball nicht nur auf den Elfmeterpunkt, sie platzieren ihn auch so, dass es denkbar einfach ist, ihn perfekt zu treffen, dass es aber trotzdem wie eine Großtat aussieht. Wie das funktioniert, kann man sehr schön beobachten im Verhältnis von David Letterman und seinem Bandleader Paul Shaffer. Die beiden kennen sich, sie wissen um die Qualitäten des anderen, und sie beschützen die schwachen Flanken ihres Gegenübers. Sonst sieht die Sidekick-Numrner leicht nach Herr und Diener aus, was ein Blick auf die Liebesdienerei zwischen George Bush und Tony Blair schön belegt. Ähnlich ist es um das Verhältnis zwischen Stefan Raab und Showpraktikant Elton bestellt. Selten darf der dickliche Diener dem Meister in die Parade fahren, aber immer nur sanft, sonst reagiert Raab angesäuert.

An den großen Vorbildern muss sich letztlich auch Schmidt messen lassen, wenn er nun bald auf den Stuhl am Bühnenrand wechseln sollte. Ob er das wirklich wagt, ist indes nicht sicher: Niemand habe erwartet, dass die Sache mit Günther Jauch als Christiansen-Nachfolger noch kippen können, sagen die internen Kritiker in der ARD und sehen das als deutliche Warnung – auch einer wie Schmidt ist nicht unkündbar. Insofern könnten Schmidts Sidekick-Pläne auch bedeuten, dass er irgendwann ganz aus der Rolle fällt.

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