In der Evan-Horne-Serie schafft der einstige Drummer BILL MOODY durch sein jazz-geschultes Improvisationstalent eine neue Form des musikalischen Krimis

Moodys Krimis sind spannend, weil sie genau genommen gar keine Krimis sind. Anstelle eines Detektivs strolcht der Jazzpianist Evan Hörne durch die Bars von Hollywood und die Clubs in Las Vegas. Statt einer Pistole hält er in seiner Rechten einen Gummiball. Regelmäßiges Kneten soll seine bei einem Unfall lädierte Solohand dazu bringen, irgendwann wieder ohne Schmerzen Oktaven zu spielen. Auch gemordet wird in der Evan-Horne-Serie selten – im Auftakt „Solo Hand“ erst in der Mitte des Buches, in „Moulin Rouge, Las Vegas“ mehr als 30 Jahre vor der Story. Legen wir die Karten auf den Tisch: Bill Moody ist in erster Linie Drummer und erst dann Krimi-Autor. Mit anderen Thrillern hat seine Arbeit in etwa so viel gemeinsam wie Abba mit Coltrane, wie Garth Brooks mit Miles Davis – oder Pop mit Bebop. Bevor er sich an die Schreibmaschine gesetzt hat, ist Bill Moody in der Welt rumgekommen, ’68 mit dem Gustav Brom Jazz Orchestra in Prag, in den Siebzigern mit Lou Rawls und Earl Fatha Hines, dann in den Casinos von Las Vegas. Daher der Stoff von „Moulin Rouge, Las Vegas“, die Spurensuche nach dem ersten gemischten Hotel-Casino Nevadas, Monate nach seiner Eröffnung 1955 schon wieder Geschichte. Mehr als die Mafia und ihre Verbrechen erklingen denn auch die Sounds und Atmosphären eines Jazzers im Neon-Protz von Las Vegas. Das Grundthema bestimmt der Tenorsaxofonist Wardell Gray, der kurz nach der Moulin-Rouge-Eröffhungs-Gala in der Wüste gefunden wurde; tot durch Überdosis, so die offizielle Version. Wie und warum sich jemand für einen goldenen Schuss in die Wüste begibt, weiß bis heute niemand. Evan Hörne will es herausfinden. Anlaufstellen sind eine der Tänzerinnen, die im Gegenzug auch etwas will, und Musiker, die im Schatten des Glamours vor allern gegen den Lärm der Spielautomaten anspielen. Die Highlights in Moodys Komposition sind Passagen, in denen er von den eigentlichen Handlungssträngen weg improvisiert, Gäste auftreten und solieren lässt. „Brent Tyler hat blonde Kraushaare, trägt ein weißes Hemd, Krawatte und Hosenträger, die eine teure Anzugshose festhalten. Passend zum Handy in der Gesäßtasche hat er draußen auf dem Parkplatz vermutlich einen BMW stehen. In der Hand hält er ein Klemmbrett, weswegen er mir sofort unsympathisch ist.“ Doch Tyler gibt dem Pianisten Hörne eine Chance, setzt ihn an den weißen Flügel in einem Einkaufszentrum. Bereits in „Solo Hand“, in dem Hörne einen Abrechnungsschwindel der Musikbranche aufdeckt,juckt es ihn inden Fingern, eben weil kein Mensch seine Liebe zur Musik abstreifen kann wie einen alten Regenmantel. Monate später ist Hornes Spiel gut genug, um Boutiquen-Shopper mit Hintergrundklängen zu berieseln. Es ist auf jeden Fall gut genug für bitte notes. In herkömmliche Krimischemata passen diese Töne und Zwischentöne nicht. Bei seinem ganz eigenen Beat (irgendwo in „Solo Hand“ übersetzt als „Zeit“!) bedient sich Moody eines Stilmittels, das kaum jemand so beherrschte wie Thelonious Monk: der Pausen. Die Spannung entwickelt sich nicht aus Tempo oder Akrobatik auf der Tastatur, sondern daraus, dass in Schlüsselszenen das Wichtige nicht gesagt wird, dass das Wesentliche zwischen den Tönen schwingt. Aber keine Angst: Man muss nicht am Konservatorium Synkopen studiert haben, man muss nicht einmal „The Chase“ kennen oder den Unterschied zwischen Art Blakey und Pepper. Die Leichtigkeit, mit der Moody Einblicke in die Welt der Jazzer gewährt, mit der er Genre-Größen erläutert, ist die eines richtigen Erzählers – durchaus vergleichbar mit den kaum realistischeren Krimis von Jimmy Buffett. Wer ein „Whodunnit?“ erwartet, ist bei Moody freilich so fehl am Platz wie ein Kylie-Fan in einemjazz-Club. Doch Krimis sind „Solo Hand“ und „Moulin Rouge“ trotzdem: Die Klaviatur des Genres ist eben vielseitig, reicht von Dramen mit buckeligen Gärtnern und säuselnden Frauenstimmen über sorgfältig geplante Korruptionsabrechnungen bis hin zu den hemdsärmeligen Sozialstudien aus Skandinavien. Lyrik gibt es bei den Schriftstellern, deren Business Mord ist, freilich wenig. So wie Stadion-Rock werden Thriller haarscharf vorbereitet und dann realisiert. Genau das unterscheidet Bill Moody beispielsweise von seinem Kollegen Elmore Leonard: Er improvisiert drauflos, in „Solo Hand“ mit riskanteren Kadenzen, in JVIoulin Rouge“ mit vielseitigeren Einlagen. Die nicht immer glaubwürdige Durchführung des „Death of a Tenor Man“ (so der Originaltitel von „Moulin Rouge, Las Vegas“) eignet sich hervorragend als Lektüre für heiße Nächte und Cool-Jazz. Wer auf Nummer sicher gehen will, packt eben dazu noch Elmore Leonards – ganz beachtlich recherchierten – Rock-Thriller „Schnappt Chili“ (Goldmann Verlag) ein. Matthias Penzel

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