John Cleese – Permanent lustig zu sein kann auch leiden heißen

In seinen TV-Sketchen und Kinofilmen brilliert der Brite JOHN CLEESE stets als genialer Exzentriker. Doch permanent lustig zu sein kann auch leiden heißen.

John Cleese war in Musik immer so schlecht, daß man ihn beim Chorsingen bat, den Liedtext mit dem Mund nur nachzuformen und ansonsten bitte zu schweigen. Aber in Physik, Mathematik und Chemie war er gut Er konnte logisch denken, mühelos komplizierte Sachverhalte systematisieren. Doch als Alternative zu seinem Hang für Ordnung begann er in den 60er Jahren Gags zu schreiben. Und so wurde John Cleese, Jahrgang 1939, ein weltberühmter Komödiant, der ’69 bei der BBC erstmals mit der legendären Monty Python-Truppe auf Sendung ging und es heute mühelos schafft, wie ein britischer Major aufzutreten, dabei aber eine Mickey-Maus-Uhr zu tragen.

Cleese, vor der Kamera der personifizierte Irrwitz, bevorzugt privat einen nüchternen essentiellen StiL Mit 57 Jahren macht er einen blendenden Eindruck. Jeans, weißes Hemd, Turnschuhe, große Kinderaugen: ziemlich schwer; nicht von ihm beeindruckt zu sein. Er und seine Monty Python-Kollegen brachten die Fans dazu, sich mit dem Wörterbuch vor den Fernseher zu setzten, damit man ja keinen der rasenden Gags verpaßte. Nachdem Cleese 1973 trotz aller Erfolge bei den Gebrüdern Python ausgestiegen war, wagte er „something compledy different“. Mit seiner damaligen Frau Connie schrieb er die Hotel-Comedy „Fawlty Towers“ – die TV-Serie wurde ein Erfolg, die Ehe leider nicht Nach seiner Scheidung begann Cleese eine langjährige Therapie, und als er endlich klarer sah, schrieb er gemeinsam mit seinem Therapeuten das Buch „Families and how to survive them“ und heiratete die amerikanische Schauspielerin Barbara Trentham. Mittlerweile ist Cleese zum drittenmal verheiratet – mit einer Therapeutin. Und noch immer kultiviert er diese Mischung aus seriösen Images und absurder Komik, die solch bizarre Blüten getragen hat wie die Firma „Video Arts“, die Managern mittels Videoinszenierungen wie etwa „How to lie with statistics“ oder „Meetings, Woody Meetings“ die Prinzipien der Geschäfts- und Menschenführung näherbringen solL Um sich und den Erfolg erneut herauszufordern, wandten sich Cleese und die Monty Python-Crew Ende der Siebziger verstärkt dem Kino zu und drehten so Filme wie „Das Leben des Brian“ oder „Time Bandits“. Doch am erfolgreichsten war Qeese allerdings mit seinem Soloprojekt „Ein Fisch namens Wanda“, dem er jetzt gar nicht unbescheiden eine Fortsetzung hinterherschickt. Gleiches Team, gleiche Wirkung: Für „Fierce Creatures“ bat Qeese als Autot^ Produzent und Akteur noch einmal Jamie Lee Curtis, Kevin Kline und Michael Palin vor die Kamera, um gemeinsam nach einer Verbindung von Zoo und Sponsorship zu forschen. Ein Film, der Springsteen als Halter von Schildkröten outet und in leichter Abwandlung eine alte Monty Python-Regel befolgt: If you don’t have a good story, have a moral.

Mr. Cleese, Sie wurden mit Monty Python im gleichen Jahrzehnt berühmt wie die Beatles. Haben Sie sich jemals als Popstar oder als ein Teil des Rock’n‘ Roll-Zirkus gefühlt?

Nachdem ich seit 30 Jahren bekannt bin, weiß ich, was man davon hat, bekannt zu sein. Die guten und die schlechten Seiten. Wie ein Popstar habe ich mich da nur ein einziges Mal gefühlt, 1976, während einer Monty Python-Bühnenshow in New York. Wir waren nicht besonders aufgeregt, weil man schon hinter der Bühne Sprechchöre hörte und wir sicher waren, daß es den Leuten gefallen würde. Und dann spielten wir unser Programm vor einem absolut ruhigen Publikum. Kein Ton. Die ganze Zeit. Erst zum Schluß: Applaus. Ich habe es nicht verstanden, ging zwischendurch hinter die Bühne und fragte den Manager: „Warum lachen diese Leute nicht zwischendurch mal? Finden sie es nicht witzig?“ Und er sagte: „Schau mal hier durch.“ Und ich sah durch ein Guckloch, wie das Publikum während der Sketche die Lippen bewegte und Zeile für Zeile mitsprach. Da fühlte ich mich wie auf einem Popkonzert Sie waren nicht gekommen, um zu lachen, so wie man eben nicht zu einem Popkonzert geht, um die Musik zu hören. Sie waren gekommen, um die Erfahrung zu teilen.

Haben Sie je herausgefunden, was Ihren Humor so außergewöhnlich macht?

Es ist schwierig, etwas zu beschreiben, das dir zur zweiten Natur geworden ist Die Franzosen pflegen zu sagen: Der Fisch kennt das Wasser nicht, in dem er schwimmt Ich würWablbelfer Cleese mit dem Liberal Democrats-ChefPaddyAsbdown und einem der JFierce Creatures“-Stars de mal sagen, daß die Briten einen Sinn fürs Absurde haben. Sie lieben die siUyness, darin sind sie ziemlich hemmungslos. Den Grund dafürsehe ich darin, daß die Briten ihr Verhalten sehr viel stärker als ihr Denken kontrollieren. So kann man sein eigenes Verhalten mit einer gewissen Objektivität betrachten und darüber lachen.

Und was machen Sie, wenn die Leute nicht lachen?

Ein Teil von mir ist enttäuscht. Und ein anderer Teil wird philosophisch. Was immer man tut, man will, daß alle Leute es mögen. Aber das ist unrealistisch. Also muß man versuchen, über diesen Punkt hinaus zu kommen. Mit Monty Python haben wir die konventionellen TV-Komödien auf den Kopf gestellt. Wir haben die Credits in der Mitte gesendet, Sketche vor der Pointe abgebrochen. Verglichen damit, war „Fawlty Towers“ sehr konventionell, ebenso wie JEin Fisch namens Wanda“. Beim Dreh von „Wanda“ hieß es immer: Wenn jemand auch nur einen Hauch von Subtilität in den Charakteren entdeckt, bitte losschreien.

Ihre Charaktere sind „unabsichtlich“ komisch. Ein Grundsatz Ihrer Arbeit?

Ein Grundsatz meiner Arbeit ist, Kreativität und Logik zu verbinden. Ich kann mir nämlich nicht nur eigenartigste Dinge ausdenken, sondern kann sie auch gut strukturieren. Dazu brauche ich aber eine Oase aus Zeit und Raum. Ich weiß, daß ich keine originellen Einfälle hab, wenn andauernd das Telefon klingelt. Und zwei Stunden müssen’s schon sein.

Sie waren lange in therapeutischer Behandlung. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Depressionen und „komischem“ Talent?

Ich habe schon das Gefühl, daß Künstler anfälliger für psychische Störungen sind als Marketing-Manager oder Bankangestellte.

Sie werden bald mit Robin Williams „Don Quijote und Sancho Pansa“ spielen. Hat Ihr Interesse an Europa über Ihr Faible für Amerika gesiegt?

Das Projekt wurde leider auf Eis gelegt. Es laufen keine Klassiker mehr, nur noch Comic-Verfilmungen. Und Filme, in denen dauernd etwas in die Luft fliegt. Als ich den „Star Wars“-Trailer gesehen hatte, da rief ich meinen Agenten an und sagte: „Ich hab ’ne Idee für eine Trilogie: erster Teil: Dinge, die explodieren; zweiter Teil: mehr Dinge, die explodieren; dritter Teil: noch mehr Dinge, die explodieren. Doch er meinte: ,Du darfst nicht vergessen, daß nicht alle Filme von Explosionen handeln. In jedem zehnten geht’s um Serienkiller.'“

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