Interview mit Artist-Manager Nick Kandelaki: „Hartnäckig bleiben – und so viele Konzerte wie möglich besuchen“

Nick Kandelaki managt Nik West und arbeitete mit Größen wie Quincy Jones und Lauryn Hill zusammen. Wir unterhielten uns mit ihm über seinen Job.

Wer während des ersten Corona-Lockdowns im März 2020 unsere #DaheimDabeiKonzerte verfolgt hat, dürfte besonders ein Auftritt in Erinnerung geblieben sein: Für ROLLING STONE trat die Multi-Instrumentalistin Nik West auf, die ihre Funk-Rock-Künste auch 2019 beim International Music Award präsentierte. Dass die Amerikanerin  hierzulande immer bekannter wird, hat sie sie auch ihrem Manager zu verdanken – Nick Kandelaki. Der in Georgien geborene Live-Event-Manager hat sich in der amerikanischen Musiklandschaft durchgesetzt, machte zunächst in London seinen Bachelor ind Wirtschaft und Finanzen. Für seinen Master-Abschluss in in „Music Industry Administration“ ging er in die USA und absolvierte ein Praktikum bei Quincy Jones. Kurze Zeit später wurde er zum persönlichen Assistenten von Macy Gray. Und dann ging’s los: Aufträge als Manager u.a. für Lauryn Hill und Erykah Badu. Wir unterhielten uns mit Nick über seinen Werdegang, und wie man es in der Branche schaffen kann.

Ist der Job eines Musikmanagers heute schwieriger als früher? Viele Klienten übernehmen ihr Marketing zumindest auf den sozialen Netzwerken selbst, was authentisch wirken kann, aber eben auch ungefilterte Beiträge abbildet.
Ich denke, dass der Job in einigen Geschäftsangelegenheiten härter geworden ist, aufgrund aktueller Trends. Es gibt so viele legendäre Manager, aber viele sind sich dieser Trends nicht bewusst: TikTok, Spotify und mehr. Darin liegt die Herausforderung. Manche alten Mechanismen funktionieren nicht mehr. Jede dieser neuen Plattformen nutzt eigene Mechaniken. Es benötigt neue Strategien, damit ein Künstler im Spiel bleibt, damit das Publikum und die Fanbase ihre Awareness behält.

Auf der anderen Seite denke ich: Falls ein Manager und sein Team diese neuen Trends beherrschen, ist es viel einfacher, neue Fans zu erreichen. Es gibt dafür tolle Tools: Social-Media-Posts mit speziellen Strategien, oder zeitlich abgestimmte Maßnahmen. Hinter manchen Künstlern steht ein Team, das das übernimmt. Bei manchen nicht. Manche sind kreativ im Umgang mit Content, und andere wiederum halten gar nichts von den sozialen Medien. Manager sollten all diese Faktoren bedenken, wenn sie ein Engagement eingehen, denn diese Strategie wird den Erfolg langfristig prägen.

Sie kamen als junger Student von Georgien nach England, dann siedelten Sie in die USA rüber. Welchen Herausforderungen hatten Sie sich zu stellen?
Die größte: unabhängig sein zu können, ohne Familie, ohne Freunde, im Alter von 18 Jahren. Dazu mit wenig Geld auszukommen. In London machte ich meinen Bachelor in Finanzen. Ich gab all mein Taschengeld dafür aus, dort so viele Konzerte wie nur möglich zu sehen. Coldplay, Beyoncé, Roger Waters und viele mehr. Ich versuchte, so viele Leute wie möglich zu treffen, denn ich wusste, dass Netzwerke und Verbindungen mir Möglichkeiten eröffnen könnten. Und so traf ich Macy Gray, Puff Diddy, Keith Jarrett und andere.

Ich wusste, dass ich in der amerikanischen Entertainment-Industrie arbeiten wollte, aber das würde hart werden ohne Arbeits-Visum und ohne genügend Geld. Ich suchte nach Wegen, um nach Amerika zu kommen. Mit einer Bewerbung für einen Master-Abschluss, unterstützt durch ein Stipendium, würde das gehen. In Los Angeles wurde ich angenommen, und nach meinem Pitch entschied Coca-Cola, 100 Prozent meiner Studienkosten als auch die Unterkunftskosten zu übernehmen. Und so landete ich in meiner Traumstadt – Los Angeles. Und so fing alles für mich an.

Wie ging es dann mit Ihrem Praktikum bei Quincy Jones weiter?
Während meines Masters-Studiums in Los Angeles besuchte Quincy Jones 2016 Georgien. Ich bat meinen Professor um die Erlaubnis, nach Georgien zu fliegen und dafür meine Anwesenheit in den Unterrichtsstunden ausfallen zu lassen, per Skype weiterzumachen. Ich wusste, dass sich mir durch ein Treffen mit Quincy Jones neue Möglichkeiten eröffnen könnten.

An einem Abend nach der Show saß ich neben Quincy und fragte ihn, ob ich ein Praktikum bei ihm machen kann, ohne Honorar. Ich wusste, dass ich meine Fähigkeiten würde zeigen können um dann aufzusteigen. Quincy sagte: „Mann, ich habe doch schon so viele Leute“. Ich sagte: „Nun, ich weiß, dass ich der Beste unter ihnen sein würde.“ Er fragte den Kellner nach einem Stift und schrieb die Mailadresse seines Managers auf eine Serviette. Ich meldete mich bei seinem Manager, und so wurde ich angestellt – vom einflussreichsten und legendärsten Mann der Musikindustrie.

Nick Kandelaki mit Quincy Jones (re.)

Was zeichnet einen guten (Tour-)Manager aus? Wie entwickelt man ein Gespür dafür, was der Künstler erwartet?
Meiner Meinung nach ist das Wichtigste, das Vertrauen des Künstler zu gewinnen, sie sich wohlfühlen zu lassen. Sie sind genauso Menschen wie wir, und jeder von ihnen hat seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse.

Deshalb ist es für einen (Tour-)Manager wichtig, die Persönlichkeit des Gegenübers einschätzen zu können. Jeder Künstler schätzt einen Manager, der ihnen den Tag leichter macht, aber auch kämpfen und verhandeln kann, so dass am Ende für ihn der beste Deal rumkommt.

Ich wusste, dass Mrs. Lauryn Hill es schätzt, wenn alles so pünktlich gemacht wird, wie sie es sich wünscht. Wegen einer Schlechtwetter-Vorhersage fragte sie uns, ob wir sie mit einem Privatjet früher als geplant aus der Stadt rausfliegen könnten. Weil es keine regulären Flüge mehr gab, musste ich diesen Privatjet organisieren, innerhalb von drei Stunden. Glauben Sie es oder nicht – ich und der Tourmanager hatten das Manual des Fliegers lesen müssen um sicherzustellen, dass das Gewicht von Passagieren und Gepäck zulässig ist. Es war ein sehr kleines Privatflugzeug.

Was gefällt Ihnen am besten am Job als Manager von Nik West?
Was kann es besseres geben als eine Künstlerin zu managen, die weltweit tourt, die mit Prince, Quincy Jones, Marilyn Manson und vielen mehr zusammengearbeitet hat – und gleichzeitig meine Ehefrau ist. Ich finde, das ist das Beste: mit meiner Frau zusammenarbeiten, mit ihr zu touren, die Welt zu erkunden, ohne sich gegenseitig vermissen zu müssen. Und Geld mit dem zu machen, was wir lieben. Ich liebe es zu managen, Konzerte und Tourneen für Künstler zu organisieren, und Nik ist aufregend, als Marke und in ihrer Performance. Das ist ein win-win. Nächstes Jahr wird sie im Vorprogramm von Lenny Kravitz bei den JazzOpen in Stuttgart spielen, und bei vielen weiteren großen Festivals in Europa.

Wie genau wird man eigentlich Manager – gehen Sie auf Künstler zu, von denen Sie glauben, dass alles passt? Oder melden die sich bei Ihnen? Haben Sie auch schonmal „Nein“ gesagt?
Gut zu netzwerken ist ein Schlüssel, aber es ist auch wichtig, die Musik des Künstlers zu verstehen, sie zu fühlen. Wenn das nicht der Fall ist, lehne ich Angebote ab. Das Management kann dazu führen, dass sich eine echte Freundschaft entwickelt, in den meisten Fällen jedoch sind es die Künstler oder ihr Team, das auf einen zugeht.

Die Betreuung von Nicki Minaj wurde mir zur selben Zeit angeboten wie die von Macy Gray als Tourmanager. Wir sind seit 2012 befreundet, sie vertraut mir voll und ganz. Wir hingen immer bei Partys rum und gingen sogar zusammen in die Kirche. Sie wusste, dass ich mit Quincy Jones zusammenarbeitete und wusste, was ich kann. So viele Leute zu kennen und so viel Vertrauen zu genießen, kann viele Möglichkeiten eröffnen. Gleichzeitig ist es wichtig, konsistent in Kontakt mit neuen Menschen zu treten. So wird man weiter wahrgenommen. Die Sache funktioniert also in beide Richtungen.

mit Keith Richards (re.)

Es gab viele Anlässe, „nein“ zu Künstlern zu sagen. Wenn ich weder die Musik verstand noch den Markt, für den sie aufnahmen. Oder wenn dessen Persönlichkeit zu herausfordernd ist. Da folge ich ganz meiner Intuition, frage mich selbst: „Ist das gut für meine Karriere?“. Manchmal ist die Antwort ein klares „JA“ und manchmal ein „NEIN.“

Ihr Großvater, als auch Ihr Vater organisierten Festivals in der Sowjetunion. Haben die Ihnen berichtet, wie die Festivalplanung damals dort ablief?
Oh ja! Mein Großvater organisierte seine ersten Festivals in den 1970er-Jahren. Er brachte Art Blakey, B.B. King und viele weitere in die Länder der Sowjetunion und Osteuropa, darunter Georgien und Polen. Mein Vater hielt das Vermächtnis aufrecht und holte Legenden wie Ray Charles, James Brown, Joe Cocker und Elton John rüber.

Zur Zeit meines Großvaters gab es natürlich noch keine Computer. Kommunikation erfolgte per Telefon und Verträge wurden per Telefax übermittelt. In der ganzen Stadt gab es nur einen einzigen Computer. Der hatte die Größe eines Raums. Ich weiß nicht, wie man damals Künstler buchen konnte … für mich klang das unmöglich.

Mein Vater griff schon auf Werbung zurück, die im Fernsehen laufen konnte. Heutzutage bewerben wir Konzerte ja über gezielte Anzeigen auf Facebook und Instagram. Alles wurde einfacher – oder schwerer, für manche. Internet und Computer kreieren schnellere Kommunikation. Wir können Tickets online verkaufen, Poster online herstellen.

Wie lauten Ihre nächsten Pläne?
Ich würde gerne weltweit mit Talenten zusammenarbeiten und mehr Konzerte und Festivals in Europa organisieren. In den USA zu sein hat es einfacher gemacht, Stars und Agenten zu treffen. Ich möchte nun meine Kontakte und Erfahrungen nutzen um mich stärker in großen Projekten in Europa zu engagieren. Für solche Gelegenheiten bin ich stets offen.

Welche sind die größten Herausforderungen in dieser Corona-Ära?
Viele Konzerte wurden natürlich verlegt oder abgesagt. Mein Job bestand darin, alle Shows neu anzusetzen. Viele Veranstalter stellen eine Geldeinlage bereit, die Künstler zurückzahlen müssten, wenn ein Konzert komplett abgesagt wird. Ich habe also versucht Absagen zu vermeiden und stattdessen neue Termine anzusetzen, so dass das Geld auf den Konten der Künstler verbleibt.

Als alle Konzerte abgesagt wurden, haben wir überlegt, wie wir dennoch Projekte für Nik West umsetzen können. Wir kreierten einen Online-Kurs für Bassgitarre, mit 150 und mehr Videos, die wir an Menschen verkaufen, die das Instrument lernen wollen. Das wurde derart erfolgreich, dass wir fast denselben Profit erzielten wie mit einer Tournee. Auf Tour müssen wir der Band Gehalt zahlen, den Soundingenieuren, müssen wir Flüge und Hotels Geld ausgeben.

Was raten Sie jüngeren Menschen, die diesen Berufsweg einschlagen wollen?
Zunächst, so viele Konzerte wie nur möglich besuchen und nach Ende der Show in der Nähe des Backstgebereichs verweilen. Oft sind dort die Manager bzw. Tourmanager, eine gute Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen.

Hartnäckigkeit ist auch sehr wichtig. Man muss wissen, dass manche Dinge einfach Zeit brauchen, und es ist wirklich wichtig dran zu bleiben. Das habe ich durch meine Arbeit und in der vergangenen Zeit gelernt. Sobald ich weiß, dass ich an einem bestimmten Ort leben will, dort arbeiten oder zumindest jemanden treffen, beginnt die Planung, wie ich das eines Tages erreichen kann.

Nick Kandelaki
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