Irre lauter Lautmaler

Wenn Henry Rollins Gedichte und literarische Tagebücher liest, geht es deftig und wortreich zu

Reine Sehnsucht nach körperlicher Unversehrtheit wird der Grund sein, wenn bei diesen Henry-Rollins-Daten die erste Reihe freibleiben sollte, aber keine Furcht: Er liest nur. Er behält das Hemd an. Den muskulösen, tätowierten, schweißperligen Frontmann lässt Rollins in Konzerten der nach ihm benannten Band so weit heraushängen, dass man ihn sich mit einem Glas Wasser am Tisch der Stadtbibliothek kaum vorstellen kann.

Dabei ist Rollins als Schriftsteller und Vorlese-Onkel mittlerweile so etabliert wie als Musiker vor neun Jahren hat er für das Hörbuch „Get In The Van“ sogar den Grammy bekommen. In sofern typische Rock-Literatur, weil er hier vom Tourleben mit seiner früheren Band Black Flag erzählt, von bizarren Episoden, vor allem vom drögen Alltag, der in gewöhnlichen Biografien oft überspult wird. In seinen Büchern ist Henry Rollins ein moralischer Amerika-Chronist, dem die deftige, wortreiche Meinungsäußerung näher liegt als die heitere Anekdote.

Als sein 15. Buch (Anthologien nicht mitgerechnet) ist im November eine erweiterte Neuauflage des besagten „Get In The Van“ erschienen, sein Werk umfasst Gedichte, Kurzgeschichten und Tagebuchromane, die mit den Innenschauen so genannter Pop-Literaten nichts zu tun haben: Rollins‘ Gedanken haben in der Regel politische Perspektiven, weshalb ihm sogar mancher linke Leser Anti-Amerikanismus vorwirft. Politisch heißt nicht politisch korrekt – er kann bekanntlich auch ein ziemlicher Macho sein.

Sein letztes Großprojekt war eine Charity-CD, mit deren Erlös er drei Mordverdächtigen in Arkansas den möglicherweise entlastenden DNA-Test bezahlen wollte. Und auch darüber hat er ein Buch geschrieben, „Broken Summers“, das viele Fans für sein bestes halten. Auch mit mittleren Englischkenntnissen: Was Henry Rollins sagen will, spürt man im Ohr.

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