Jan Delay: Das deutsche „Thriller“

Trotz des Riesenerfolges seines letzten Albums ist der Hamburger Rapper Jan Delay noch nicht zufrieden.

Jan Delay sitzt am Mischpult des Hamburger „Boogie Park Studios“ und wippt mit dem Fuß. Gleich wird er sein neues Album „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ vorspielen. Der 32-Jährige wirkt stolz, aber auch ein bisschen nervös. Denn der erfolgreiche Vorgänger „Mercedes Dance“ blieb offenbar hinter den eigenen Erwartungen zurück: „Ich dachte, wir würden mit der Platte höher einsteigen“, klagt der Sänger und Rapper noch immer.

„Trotz des Erfolgs von ‚Irgendwie, irgendwo, irgendwann‘ habe ich angefangen wie Heinz P. aus K.. Anfangs spielten wir vor 200, 300 Leuten, und auf Festivals hatten wir die undankbarsten Auftrittszeiten- Sonntagnachmittags in der Sonne.“ Eigentlich hatte man das anders in Erinnerung, „Mercedes Dance“ erreichte immerhin Platz 1 der deutschen Album-Charts.

Der angenehm bekiffte Antifa-Sound des Delay-Solodebüts „Searching For The Jan Soul Rebels“ war 2006 einem knusprigen Disco-Funk gewichen: „Ein neuer Jan eine neuer Anfang/ Reggae ist tot, jetzt ist Funk dran“ lautete das Motto von „Mercedes Dance“. Und tatsächlich: Der umtriebige Rapper des Hamburger Trios Beginner klang nun wie eine deutsche Ausgabe des nasalen Cameo-Sängers Larry Blackmon. Und das war noch längst nicht alles. Statt den üblichen, extra bequemen Streetwear-Klamotten trug er plötzlich dreiteilige Anzüge. Und als Duettpartner kam kein Geringerer in Frage als der große Nuschler Udo Lindenberg.

Bloß mit der Backingband Disko No.1 waren der Sänger und die Produzenten Tropf und Mathias Arfmann noch nicht zufrieden. Erst nachdem man den Schlagzeuger und den dreiköpfigen Chor ausgewechselt hatte, konnte man sich ernsthaft an der selbstgestellten Frage abarbeiten: „Warum klingen Quincy Jones‘ Produktionen für Michael Jackson so geil und die Stücke auf ‚Mercedes Dance‘ nicht?“ Eine Frage, die von den begeisterten Kritikern damals nie gestellt wurde.

Nach 200 Konzerten und Auftritten im Vorprogramm von Christina Aguilera waren sich Delay und sein Team dann endlich sicher: „Wir können Funk, wir können auch riesige Hallen bespielen- jetzt müssen das nur noch die Leute da draußen kapieren“. „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ soll nun Delays „Thriller“ werden – die ultimative Steigerung von „Mercedes Dance“.

Produzent Tropf, früher bei Dynamite Deluxe und ein alter Kinderzimmer-Freund von Jan, schiebt endlich die Regler des Mischpults hoch. „Oh Jonny“, die erste Single des Albums, ist ein prächtiger Feger, der schon seit Wochen im Radio läuft: hypernervöser Beat, Bläser zwischen James Brown und Dexys Midnight Runners und eine Auflistung all der „kleinen Sünden“ zwischen Beckmann gucken, Crack verkaufen und Ed-Hardy-T-Shirts tragen.

„Letztlich“ sagt Jan Delay und bemüht sich dabei um einen altersweisen Unterton, „steckt der Jonny in jedem von uns.“ Zu „Hoffnung“ werden auf der kommenden Tour sicher die Feuerzeuge aufflammen, denn mit dieser Soul-Ballade versucht sich der 32-Jährige an der Tröstung „all der Traurigen, die zu Tausenden da draußen sind“. Selbst in den Zeiten der großen Krise klingt das etwas dick aufgetragen, und auch gesanglich ist Delay nun mal kein Naidoo.

„Wir Kinder vom Bahnhof Soul“
ist ein exzellentes Album. Aber es gibt auch eine bewusste Tendenz in Richtung Mainstream-Akzeptanz. „Wenn man uns Regeln aufzwingen wollte, waren wir immer ganz schnell weg“, behauptet Delay am Ende des Interviews und meint damit sowohl die von ihm unterstützte Antifa-Szene, als auch die „großen bösen Major-Plattenfirmen“. Dass man manchmal auch die eigenen Regeln hinterfragen muss, wird er sicher auch noch lernen. Jan Delay ist einer von den Guten.

Jürgen Ziemer

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