Kaial & Klassik

Sozialkritik verstecken IACRIMOSA im mystischen Musical-Gewand. Nur der Metal passt nicht recht ins Konzept

Vor mehr als zehn Jahren begann die Geschichte von Lacrimosa. Tilo Wolf, der Mann hinter dem arg larmoyanten Namen, machte auf einer Musikkassette seine vertonte Lyrik erstmals dem Publikum zugänglich. Eine Dekade und sechs Alben später sind Lacrimosa ganz großes Kino.

Davon kann man sich im erlauchten Kreise in einem mittelalterlichen Gewölbe am Genfer See überzeugen. Dorthin haben Wolf und seine Partnerin, die Finnin Anne Nurmi, geladen, um Fassade“ vorzustellen. Während sich auf dem Käsefondue Haut bildet, die „In den See“-Rufe verhallt sind und der Dampf der Havannas sich gen Decke kräuselt, senkt sich das Mammutwerk zentnerschwer auf den Abend. Opulentes Streichwerk, Seelenballast und kirchturmhohe Gitarrenrifis prägen das Oeuvre des dunklen Duos. Sozialkritik im mystischen Musical-Gewand, mit geschlossenen Augen dirigiert von Tilo Wolf.

Den Sitzplatz zwischen allen stilistischen Stühlen scheinen die beiden dabei durchaus bequem zu finden. Kein Michael Kamen, der das finstere Werk auf Metallica-Mainstream glattbürstet. Keine Paradise Lost-Melodien, die den Zugang erleichtern.

Stattdessen spielt sich das Deutsche Filmorehester Babelsberg durch die fein ziselierten Arrangements, deren metallisches Standbein zuweilen etwas arg hölzern daherkommt. Dazu dann noch Tilo Wolf, der gekonnt zwischen Minnesängertum und Sprechgesang laviert. Eins steht jetzt schon fest: Die GotenSzene wird es ihnen, wie schon beim letzten Album „Elodia“, auch diesmal mit einer vorzüglichen Chartposition danken. Das nächste exklusive Käsefondue scheint schon gesichert.

Und bei einem so kurzen Weg zwischen Kajal und Klassik kann es frei nach den Ärzten heißen: „Zwischen Mozart und Tschaikowsky steht ’ne Lacrimosa-LP!“

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