Kathleen Edwards – Über die Bande gespielt

Nach einer Krise schöpfte Kathleen Edwards durch Bon Iver wieder neuen Lebensmut. Das neue Album enthält trotzdem genug Schmerz.

Beim NHL All-Star Game, dem Aufeinandertreffen der besten Eishockeyspieler Nordamerikas, hat Kathleen Edwards 2008 die Nationalhymne Kanadas gesungen. Im T-Shirt stand sie da neben all den Eisschränken und hob ganz ohne das gekünstelte Tremolo, das eine Christina Aguilera in einem solchen Moment als angebracht empfindet, die Stimme: „O Canada, we stand on guard for thee.“

Die Nähe zum Hockey ist für Edwards mehr als nur eine obligatorische Angelegenheit: „I am tired of playing defense/ I don’t even have hockey skates“, sang sie schon auf ihrem Debüt „Failer“, das sie 2003 zum It-Girl des Alternative Country machte. Jahre später besang Edwards in „I Make The Dough, You Get The Glory“ das NHL-Raubein Marty McSorley und rangelte im Musikvideo mit ihm und anderen ehemaligen Profis. Selbst im Gespräch ist die 33-Jährige eine, die ihre Antworten schon mal mit einem sachten Ellenbogencheck in fremde Rippen garniert. In der Verteidigung sei sie immer besser gewesen als im Angriff, sagt sie. Edwards, die ihrer Heimat in ihren zupackenden Songs gern auch die Leviten liest, ist wohl wie alle Kanadier eine Patriotin im Kleinen.

Umso mehr erstaunt, dass sie zu Beginn ihres vierten und neuen Albums „Voyageur“ jubiliert: „I’m Moving To America“. Der Haken, er folgt sogleich: „It’s an empty threat“ – der Umzug ist nur eine leere Drohung. „Anfangs wollte ich das Album ‚Moving To America‘ nennen. Daraufhin meinte mein Manager, ich solle das schön sein lassen. In Kanada ist man schnell damit, so einen Titel als Kriegserklärung an die Heimat aufzufassen.“

Ein Album der Umbrüche ist „Voyageur“ dennoch geworden. „Ich glaube, ich hatte mit 30 bereits meine Midlife Crisis“, sagt Edwards. Bei ihrem Support-Konzert für Bon Iver in Berlin richtete sie folgende Worte an das Publikum: „You know, love is like a hangover.“ 2010 hatte sie sich von Colin Cripps scheiden lassen, er hatte ihre Alben mitproduziert und war ihr Leadgitarrist gewesen. Mit einigen Songskizzen war Edwards noch in der Trennungsphase nach Seattle gereist und fand in John Roderick von The Long Winters einen einfühlsamen Insolvenzverwalter für ihr emotionales und musikalisches Restkapital.

Von ihm aufgerichtet, kontaktierte sie Justin Vernon. Er hatte mit seinem Projekt Bon Iver ihren Song „Mercury“ live des Öfteren gecovert. Nach zaghaften Mails – „‚Er: Ich habe zwei Katzen, Ich: Ich auch.'“ – besuchte sie Vernon in seinem Studio in Wisconsin und spielte ihm „Wapusk“ vor. Edwards hatte den Song über das Geburtsgebiet der Eisbären für eine Dokumentation über Kanadas Nationalparks geschrieben. Vernon bereicherte die Non-Album-Single mit Piano und seinem Falsett um eine Glut, die dem traditionellen Songwriting der Kanadierin bislang fehlte. Edwards wusste sofort: Sie hatte ihren Produzenten gefunden – und, wie sich später herausstellte, auch eine neue Liebe. „Er hat mich an den Punkt geführt, an den ich gelangen musste. Und zwar so, dass ich nie das Gefühl hatte, meine musikalische Persönlichkeit zu verleugnen“, sagt Edwards. Tatsächlich ist sie mit „Voyageur“ näher an den collagierten Indie-Folk von Bon Iver herangerückt, ohne dass ihre eigene Songpoesie dabei an Strahlkraft verliert.

Nach der unbeschwerten Frühphase ihrer Karriere hat Edwards gelernt, Schmerz auszuhalten. Wie ein guter Eishockeyspieler. In „For The Record“ singt sie mit Norah Jones: „Hang me out up on your cross/ For the record I only wanted to sing songs.“ Und auch in Berlin, wo viele Fans von Bon Iver sie als Country-Lady abtun, hat sich Edwards entschieden, zu kämpfen: Am Ende spielt sie „From Hank To Hendrix“ von Neil Young, einem anderen großen Kanadier: „Can we get it together/ Can we still walk side by side/ Can we make it last/ Like a musical ride?“ Vorsichtige Antwort bis auf Weiteres: Ja.

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