Kiwis Quatschbude

Es liegt in der Natur der Sache, dass der „ZDF Fernsehgarten“ keine Veranstaltung für Feingeister ist. Auch beim Sender selbst wird die Institution nicht geschätzt, obwohl vom Mainzer Lerchenberg aus gesendet wird, dem Hauptquartier des ZDF, und sie drei Millionen Zuschauer erreicht. Seit 1986 füllt dieses geistige Vakuum in den Sommermonaten den Sonntagvormittag; es ist ein Programm, dessen Bräsigkeit allzu gut zur Sendeanstalt passt. Der Hort des Frohsinns ist eine Oase inmitten deutscher Ödnis, so einsam gelegen wie ein Vertriebszentrum von Amazon. Nur Reisebusse fahren dorthin. Aber nicht bloß Rentner möchten mal sehen, wie Fernsehen gemacht wird: Im Publikum sind Kinder, junge Frauen, neugierige Kleinfamilien, amüsierwillige Kegelclubs. Wenige Männer, das ist wahr.

Die Moderatorin muss so wetterfest sein wie das Publikum, und das Wetter ist naturgemäß das erste Thema im Fernsehgarten: Während der Fernsehgarten-Monate reden sowieso alle darüber und sind sich einig darin, dass der Sommer mal wieder ausfällt oder ein Herbst ist -wenn aber doch die Sonne scheint, ist es allen bald zu warm. Die Zuschauer sollen hier bei jedem Wetter klatschen und schunkeln, deshalb braucht es eine besondere Rampensau.

Andrea Kiewel macht den Job seit 13 Jahren, zwischendurch wurde sie für ein Jahr suspendiert, weil sie allzu aufdringlich von einer Methode zum Abnehmen schwärmte. Doch für Kiewel, von Fans zärtlich Kiwi genannt, gibt es keinen Ersatz: Die gelernte Ostlerin, früher im Schwimm-Kader für die Spartakiade, ist eine Wucht und eine Kommunikationskanone, sie duzt alle Gäste, mischt sich unters Publikum und singt spontan alte Schlager, sie trägt unmögliche Kleider und Hüte und redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Markus Lanz könnte bei Kiewel lernen, wie man vollkommen spontan spricht und trotzdem Pointen hinbekommt, doch profiliert sie sich nie auf Kosten ihrer Gäste. Andrea Kiewel ist eine Frau, die sogar beim kollektiven Nacktbaden noch moderieren würde.

Der „Fernsehgarten“ ist ein eigenartiges, höchst bizarres Gemenge aus Varieté, Musikantenstadl, Verbrauchermesse, Heimwerker-Show und Kurmuschel-Unterhaltung, es treten Hundetrainer auf, Köche, Ärzte, Extremsportler und Schlagersänger, Gärtner, Schreiner und Tanzmariechen. Die grimassierenden Sänger und Musiker stehen auf einem Steg, der das große Schwimmbecken überwölbt, auf Podesten oder stilisierten Schiffsaufbauten oder hetzen, während sie den Mund bewegen, an den Zuschauern vorbei. Manchmal ist Sport-Tag wie bei den Pfadfindern, dann kommt immer Joey Kelly, der einmal 24 Stunden in einem Laufrad zubrachte. Es gab auch schon einen Flohmarkt – aus diesem Anlass war Guildo Horn erschienen, der perfekte „Fernsehgarten“-Gast, ein Mann, der es in seiner Schmerzfreiheit mit Andrea Kiewel aufnehmen kann. Die Moderatorin siegte trotzdem, denn sie schnüffelte immerzu angeekelt an Horns Jackett, das der Komödiant angeblich aus dem Müll gezogen hatte.

Nein, der „ZDF Fernsehgarten“ ist nicht fein -hier ist der Deutsche piefig und kämpft um einen Sitzplatz und ein Gratisgetränk, das fröhliche Lied regiert, das Mitgrölen, das Armeschwenken, der Beutel, in den man noch ein paar Aufkleber und Luftballons vom Sender verschwinden lassen kann. Schlechtes Wetter schweißt zusammen wie auf dem Zeltplatz. Ehemalige DSDS-Heloten, Selbstvermarkter wie der Tanzschrat Detlef Soost, Kräuterhexen, Gesundbeter und andere Sektierer fühlen sich hier wohl. Das Wesen des Fernsehgartens ist das Paradox: Man geht doch entweder in den Garten oder schaut Fernsehen -nicht beides zusammen. Die Sendung ist eine Lebenshilfe für Menschen, denen nicht zu helfen ist, sie ist Anästhesie am Sonntagmorgen, wenn man so wach ist wie nie. Man könnte kochen, wandern, singen, Hunde trainieren, Möbel aufpolstern. Aber man dreht sich noch einmal auf dem Bett um, während Annemarie Eilfeld singt.

Das Wetter ist sowieso beschissen, und im Fernsehen kommt auch nichts. Derzeit immer wieder sonntags um 11 Uhr

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