Klassiker aus dem Kaffeehaus

Die Kaffeehäuser von Wien, die Coffeeshops von Amsterdam sind sie schuld an dem superlässigen Arbeitstempo von Kruder & Dorfmeister? Etwas sicherlich, denn die beiden Wiener DJs und Musiker widmen sich nur zu gerne den schönen und entspannenden Dingen des Lebens. Neue Mode, alte BMWs, gutes Gras. Doch wie so oft, gibt es ein paar Menschen, die verständnislos ihr Haupt schütteln angesichts sovieljugendlicher Unbeschwertheit: »Die sollen erst mal ein richtiges Album aufnehmen“, ereifern sie sich darüber, daß die zwei in allen Medien gefeierten Downbeat-Stars in fünf Jahren nur zwei Maxis und ein paar Samplerbeiträge veröffentlicht haben.

Das ist wenig, zugegeben. Was noch erstaunlicher ist: Ihr größter Erfolg waren bisher 75000 verkaufte Einheiten von „DJ-Kicks“, einer Downbeat-TripHop-Mix-Platte, die ein einziges eigenes Stück enthielt. Aber was heißt schon „eigenes Stück“? Einige Akkordreihen, eine hübsche Melodie, die liebliche Stimme einer Elfe? „Wenn die Beatles so konservativ gewesen wären wie Oasis, dann hätte „Sgt. Pepper“ geklungen wie ein Skiffle-Album“, witzelte der „NME“ unlängst über die „eigenen Stücke“ britischer Gitarrenbands.

Peter Kruder & Richard Dorfmeister hingegen verschonen die Welt mit alten Riffs in neuen Reihenfolgen. Sie haben sich darauf spezialisiert, Songs anderer Musiker zu hinterfragen, auseinanderzunehmen und unter anderen Vorzeichen wieder zusammenzusetzen – was im Normalfall nichts anderes bedeutet, als Spur für Spur neu einzuspielen. Vom Original bleibt oft nicht mehr übrig als ein paar Fetzen Gesang. Der Remix funktioniert bei Kruder & Dorfmeister allerdings als Neuinterpretation, als Befreiungsversuch – und nicht bloß als Vehikel für größeren Dancefloor-Erfolg.

Daher klingt ihre gerade erschienene Remix-Werkschau „The K&D Sessions“ehet wie ein säumiges, konzeptuell durchdachtes Künstleralbum. Die Stücke sind zwar von Depeche Mode, Rockers Hi-Fi, Roni Size, Bone-Thugs-N-Harmony und anderen Seelenverwandten, Sound und Struktur tragen jedoch die hundertprozentige Handschrift der beiden Wiener. „Wir sind Klassiker-Typen“, sagt Peter Kruder, „Wir rennen nicht modischen Klang-Idealen hinterher. Darum können wir es uns jetzt erlauben, eine Platte mit Tracks zu veröffentlichen, die wir zu einem großen Teil schon vor drei oder vier Jahren gemacht haben“.

Auch U2, David Bowie, die Fantastischen Vier und viele andere haben sich eine so entspannt klingende Bearbeitung ihrer Stücke gewünscht. Im kleinen „G-Stone“-Büro der Wiener rufen immer wieder Manager an, die im Namen ihrer Schützlinge um einen Remix bitten. Doch Kruder SC Dorfmeister bleiben trotz hoher Honorarangebote nicht selten hart: „Bietet uns jemand einen Track anbietet, der uns nicht inspiriert, dann ist es sinnlos, einen Remix zu machen“, entschuldigen sie sich für ihre subjektiven Auswahlkriterien, eine Sorgfalt, die oft als Arroganz mißverstanden wird. „Wir können uns nicht zwei Wochen oder zwei Monate ins Studio hocken und aus Scheiße Gold machen.“ Manchmal ist es aber schlicht fehlende Zeit, die eine Zusammenarbeit mit einem Superstar verhindert. Und natürlich kommt es ganz darauf an, wer fragt: Am 13minütigen Remix von Madonnas „Nothing Really Matters“ ackerten Kruder & Dorfmeister fast fünf Wochen lang – begeistert und ohne eine Unterbrechung.

Aber zur Gewohnheit wird das viele Arbeiten doch wohl nicht? „Mal sehen“, sagt Peter Kruder und schmunzelt, „Im März wollen wir endlich unser Debüt-Album rausbringen, daran ist noch einiges zu tun.“ Was wohl die Kaffeehaus-Besitzer davon halten?

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