Kopenhagen kann sehr kalt sein

Zehn Folgen auf DVD: der grandiose dänische Thriller „"Kommissarin Lund - Das Verbrechen" Von Arne Willander

Zehn spielfilmlange Folgen am Sonntagabend da riet die „Hörzu“ fürsorglich dem braven Publikum mit Schlafmütze und Pantoffeln ab: zu ausufernd, zu umständlich. Die dänisch-deutsche Produktion „Kommissarin Lund – Das Verbrechen“ hat die Ausmaße von „Twin Peaks“, wenn auch nicht die Ästhetik von David Lynch. Die wackeren Dänen inszenierten den protestantisch-profanen Thriller als Labyrinth von Erkenntnissen nach denen ein einziges ^Wochenende, ja ein einziger Abend auf immer wieder andere Weise gedeutet wird.

Der dänische Titel lautet gut kierkegaardesk lapidar „Das Verbrechen“, so als gäbe es überhaupt nur dieses eine in Kopenhagen. Und so agiert Sofie Grabol als Sarah Lund, die just zu ihrem Geliebten nach Schweden ziehen wollte, den quengelnden Sohn und die nörgelnde Mutter im Schlepptau. Der Mord an der 19-jährigen Nanna Birk Larsen fesselt sie an ihre Arbeit, während der ungeduldige Kollege Jan Meyer auf ihre Demission drängt. Die grausamen Umstände des Todes ihre Tocher haben die Eltern versteinern lassen; allmählich entsteht das verstörende Bild eines fidelen Nymphchens, das ein munteres Doppelleben führte und Lehrer, Schüler und Nachtclubbesucher becirete.

Parallel zu den Ermittlungen findet der Wahlkampf des Politikers Troels Hartmann statt, der sich um das Bürgermeisteramt bewirbt und selbst in Verdacht gerät, weil er in einem Internet-Kontaktforum als „Faust“ unterwegs war. Lars Mikkelsen spielt diesen Sympathikus mit möglichen Abgründen als großen Klaren aus dem Norden, in dem man gern eine integre Lichtgestalt erkennen möchte — indes seine Beraterin und Freundin als Megäre erscheint, die Politik als Geschäft betreibt. Der alte Studienfreund darf nicht fehlen.

Virtuos eröffnet der Autor Soren Sveistrup immer neue Irrwege und Seitenpfade, deutet Korruption in der Polizeiführung und in der Justiz an, warnt vor dem Internet, vor schwiemeligen Kellerverliesen in Schulen, vor Drogen und dem Ausleihen von Lektüre. Im Vorspann wird die leicht bekleidete Nanna in der Finsternis durch dänischen Wald und Morast gehetzt, um dann in einem Autokofferraum zu sterben. Die Tragödie der Eltern steht in den Gesichtern von Bjarne Henriksen und Eleonora Jorgensen: entrückt grübelnd und Zigarette rauchend der Vater; mit irrem, verheultem Blick die Mutter.

Anders als bei der realistischen dänischen Polizei-Serie „Anna Pihl“ geht es hier um einen Ausnahmzustand des Schreckens, einen Horror vacui, der das gemütliche Gemeinwesen erfasst. Es ist etwas faul.

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