Kultfilm „La Haine“ kommt noch einmal ins Kino

Matthieu Kassovitz' tiefer Einblick in die Kampfzone der Banlieues hat auch 30 Jahren nach seiner ersten Vorführung nichts von seiner Sprengkraft verloren.

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Schon mit seiner Premiere beim Filmfestival in Cannes schlug „La Haine“ (Hass) ein wie eine Bombe. Einen Film so roh und direkt, der die Lebenswirklichkeit der französischen Vorstädte authentisch und ungeschönt widergab, gab es hier noch nie zu sehen. Nun kommt er am 06. August, 30 Jahre danach, noch einmal in einer 4K-Fassung in ausgewählte Kinos.

Gleich zu Beginn heißt es apodiktisch: „Dies ist die Geschichte von einem Mann, der aus dem 50. Stock von ’nem Hochhaus fällt. Während er fällt, wiederholt er, um sich zu beruhigen, immer wieder: ‚Bis hierher lief’s noch ganz gut, bis hierher lief’s noch ganz gut, bis hierher lief’s noch ganz gut…‘. Aber wichtig ist nicht der Fall, sondern die Landung!“

Der Film erzählt 24 Stunden im Leben dreier junger Männer – Vinz, Saïd und Hubert; ein Jude, ein Araber und ein Schwarzer – nach einem eskalierten Polizeieinsatz. Was wie ein klassisches Drama beginnt, wird schnell zum Abbild eines Pulverfasses, in dem jede Sekunde zählt. Es geht um Ohnmacht, Stolz und der verzweifelten Suche nach Respekt.

Gewalt und HipHop in den Banlieues

„La Haine“, der mit seinen rüden Schwarz-Weißbildern nur deshalb so lebensnah gedreht werden konnte, weil die Schauspieler und die Crew während der Dreharbeiten dort auch wohnten und den Bewohnern in der Umgebung ihr Anliegen klar schilderten, legt den Finger in die Wunde. Soziale Ausgrenzung, Rassismus, Polizeigewalt, das längst sprichwörtlich gewordene Bild der brennenden Banlieues – all das findet sich in Kassovitz‘ 24-h-Studie in verdichteter und drängender Form.

Zum Kult wurde der Film schon allein wegen seines atemberaubenden Inszenierungsstils mit dynamischen Kamerafahrten (Toiletten-Szene!) einem Hip-Hop-Soundtrack, der vielen erst die Musik der französischen Rapper bekannt machte. Gegen La Haine“ wirkt „Do The Right Thing“ (1989) von Spike Lee, wie „Taxi Driver“ (1976) ein deutliches Vorbild, fast zahm und verkopft.

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Gespielt ist die Wut nicht: Das Drehbuch entstand als Reaktion auf den Tod des Jugendlichen Makomé M’Bowolé in Polizeigewahrsam. Während „La Haine“ die sich weiter zuspitzende Vorstadt-Gewalt in Frankreich nahezu vorwegnahm, gibt er generell die globale Perspektive junger Männer wider, die sich weder als Teil des Systems noch als Anarchisten verstehen, dafür aber ausgegrenzt und abgehängt fühlen.

Während Quentin Tarantino „La Haine“ als einen seiner Favoriten nennt, lässt sich sein Einfluss in vielen anderen Filmen direkt spüren, darunter „City Of God“ (2002) und „Les Misérables“ (2019). Die Kassovitz-Ästhetik findet sich selbst noch in der Netflix-Serie „Top Boy“ (2011) und der Clan-Saga „4 Blocks“ (2017).

„La Haine“ gilt Kritikern als einer der bedeutendsten europäischen Filme der 90er Jahre. Wer ihn sieht, wird danach anders auf die Welt blicken.