Land des Lächelns

Die schönste Stunde des Brian Wilson: Der Mythos "Smile", rekonstruiert von Rob Chapman

Seite 1 Our Prayer (B. Wilson) 1:05

Nicht so sehr ein Anheizer, eher eine Art Tischgebet für das, was kommen wird, überirdische Sphärenklänge. „Anyone feel any acid yet?“, fragt Brian während der Proben. Hm. Aufgenommen: 4.10. ’66 Zu hören auf: „Good Vibrations“-Box

Do You Like Worms (B. Wilson/V. D. Parks) 3:28

Das merkwürdigste, schleppendste 12-Takte-Riff aller Zeiten (Extrapunkte für Steel-Gitarre und Pauke), bevor Van Dykes Mantra „Rock rock roll Plymouth rock roll over“ den ultimativen Gothic-Trip einleitet. Der zweite Teil („Bicycle Rider“) ist schon ein Intro zu „Heroes And Villains“. Brians hawaiianische Gesänge („waha-la-lu-lei, waha-la-lu-lah, kini-wakapoola“) psychedelisieren die 50er-Jahre-Vorliebe für Exotisches. Aufgenommen : 18.10./21.12.1966 Zu hören auf: „Good Vibrations“-Box

Heroes And Villains (B.Wilson/V.D.Parks) 7:05

Enthält den großartigen, verschollenen „In the cantina“-Part und das immer noch nicht veröffentlichte „Barnyard“. In einem weiteren nicht genutzten Teil, „Three Blind Mice“, bittet Brian darum, „die Geigen mal allein“ zu hören. Die Streicher zupfen eine Melodie, so perfekt, dass man darum ein klassisches Ballett hätte bauen können. „Wir nehmen das auf zweimal Vierspur auf, damit wir beide Refrains auf ein Band kriegen“, erklärt Brian. „Ich brauch also nur noch diesen kleinen Zwischenteil.“ Und noch einen. Und noch einen. Aufgenommen : 11.5. ’66 – 2. 3. ’66 Zu hören auf: „Good Vibrations“-Box und Bootleg

Old Master Painter/ You Are My Sunshine (H. Gillespie/B. Smit/J. Davis) 1:04

Sollte eigentlich ein längeres Stück werden, wurde jedoch eingedampft zum kurzen Medley. Die Underground-Referenzen von „Sunshine“ sind makellos. In den 40ern verkauften sich die Noten zu dieser Hillbilly-Hymne 235 000mal, obwohl der Song in keiner Hitparade auftauchte. Auf der abgeschnittenen Bootleg-Version hört man, wie Brian den Cellisten anweist, mit dem letzten Fis von „Old Master Painter“ die Brücke zu „Sunshine“ zu schlagen. Schwärmerisch-bekiffter Gesang von Dennis. Aufgenommen: 14./30.11. ’66 Zu hören auf: Bootleg

Wonderhil (B.Wilson/V.D.Parks) 2:00

Würde allein schon die komplette Veröffentlichung von „Smile“ rechtfertigen. Eine perfekte kleine Barock-Miniatur mit Brian am Cembalo. Und in den Archiven gibt es eine noch bessere, vollständig arrangierte Version. Carls merkwürdig gestelzte Aufnahme auf „Smiley Smile“ fällt dagegen ziemlich ab. Aufgenommen: 25.8/6.10/15.12. ’66 Zu hören auf: „Good Vibrations“-Box

Child ls The Father Of The Man (B. Wilson 2:32

Täuschend komplexer, sehr tiefer Gesang. Noch mehr vielschichtige Harmonien und wieder ein Mantra: Brian singt/deklamiert Wordsworths berühmtesten Einzeller. Die Titelzeile taucht als Coda in „Surf’s Up“ wieder auf. Aufgenommen: 7.8,12. 10./2. & 6.12. ’66 Zu hören auf: Bootleg

Look (B. Wilson) 2:33

Eine locker-flockige Instrumental-Einlage und angeblich eines der ersten Stücke, die für „Smile“ aufgenommen wurden. Der wuchtige 1-2-3-4-Rhythmus und der Weihnachtslied-Refrain lassen es wie ein Phil-Spector-Outtake klingen. Hätte auch wunderbar auf „Pet Sounds“ gepasst. Aufgenommen: Unbekannt Zu hören auf: Bootleg

Cabinessence (B.Wilson/V.D.Parks) 3:26

Ein Song-Zyklus in drei Teilen: „Home On The Range“, „Who Ran The Iron Horse“ und „Grand Coolee“. Zwei Jahre später etwa so veröffentlicht wie hier, mit Banjos, kratzigen Cellos und „oing boing boing boing“ als Background-Gesang. „Ich fragte mich, wie das Ganze wohl aus Sicht der chinesischen Arbeiter war“, so Brian, „die den ganzen Tag schufteten, aber ganz woanders hinschauten und zum Beispiel eine Krähe über sich hinwegfliegen sahen.“ Aufgenommen: 3. & 11.10./6. & 27.12. ’66 Zu hören auf: „20/20“

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Good Vibrations (B. Wilson/M. Love) 3:34

Brian hatte seine Westentaschen-Symphonie nicht für „Smile“ vorgesehen. Er wollte sie nicht mal auf „Smiley Smile“ haben, aber Capitol war da ganz anderer Meinung. Befreit von seinem Erbe und dem Hype um seine Entstehung klingt das Stück weniger episch und passt sich besser in den Kontext ein. Aufgenommen: 8 2. -1. 9 ’66 Zu hören auf: Bootleg

Vege-tables (B.Wilson/V.D.Parks) 2:37

Was Tony Asher geringschätzig Brians „Marshmallow-Mystizismus“ nannte, ist der schwächste Teil vom „Smile“-Konzept, und „Vege-tables“ davon der lahmste Track. Lob und Preis jedoch an Van, der „cornucopia“ mit „and-l-hope-o-ya“ reimt. Die Zeile „I threw away my candy bar and I ate the wrapper“ klingt auch ziemlich hellsichtig, doch in einer idealen Welt wäre „Vege-tables“ nur als Wegwerf-Single veröffentlicht worden. Aufgenommen: 4./6./7./10. -14.4. ’66 Zu hören auf: „Good Vibrations“-Box Holidays (B. Wilson) 2:18

Noch ein heiteres Zwischenspiel, bevor es richtig ans Eingemachte geht. Brian fordert die Musiker auf: „Lasst das hier abgehen wie Dixieland!“ Als ob man im Kopf einen Ausflug nach Disneyworld macht. Aufgenommen: 8. 9. ’66 Zu hören auf: Bootleg The Elements Suite

Die Idee sah so aus: Vier zusammenhängende Stücke, je eines für Erde, Luft, Feuer und Wasser. Tatsächlich war die Suite der am wenigsten durchdachte Teil von“Smile“. Auf einer LP mit drei epischen Song-Zyklen und haufenweise thematischen Varianten war „The Elements“ vielleicht ein Konzept zu viel.

Earth Chant (B. Wilson) 4:14

Ein selten gehörtes Bootleg-Segment aus drei Instrumental-Skizzen mit Ukulele, Violinen, recht sparsamen Keyboards und viel Drum-Echo. Man kann die „dow-dow-dow-dum-be-doo-bedows“ aus „Heroes and Villains“ darüber singen. Oder, um genau zu sein, das halbe Album. Mr. Wood trifft Mr. Trees. Brian, das wird jetzt aber wirklich zu kompliziert! Aufgenommen: ?. 4. 66 Zu hören auf: Bootleg

Wind Chimes IB. Wilson) 2:44

Brian singt mit schmetterlingshafter Zartheit, und die Marimba verleiht dem Ganzen einen Schwung, der der Version auf „Smiley Smile“ total abgeht. Besonderes Zuckerl: die „Ba ba ba“-Vocals im Mittelteil, die als Percussion dienen. Aufgenommen: 3.8./5./10.10. ’66 Zu hören auf: „Good Vibrations“-Box

Mrs. O’Leary’s Cow aka Fire (B. Wilson) 1:55 „Fire“ basiert auf der Geschichte des leichtsinnigen Widerkäuers, der 1871 den großen Brand von Chicago in Gang setzte, und ist trotz aller Legendenstrickerei eigentlich ein nach“Smile“-Maßstäben ziemlich wörtlich zu nehmendes Stück. Was immer das bei Brian Wilson bedeuten mag. Geigen und Cellos spielen auf- und absteigende Tonleitern, die an Flammen und Sirenen erinnern sollen. Unter optimalen Umständen mag das auf eine hinreichend bekiffte Person ja leicht beängstigend wirken, aber „Psycho“ ist es wirklich nicht. „Barbara Ann“ allerdings auch nicht. Aufgenommen: 28. 11. ’66 Zu hören auf: Bootleg

Love To Say Da-Da/ Cool Cool Water (B. Wilson) 1:31/0:55

Das letzte Stück, das Brian in Angriff nahm, bevor er „Smile“ ad acta legte, ist ein Musterbeispiel für gelungene Ambient Music. Mehrfach übereinander gelegte Stimmen, manche verlangsamt, andere nicht, vereinigen sich zu einem ätherischen Klassiker. Die“Sunflower“-Version von „Cool Cool Water“ enthält diesen 55-Sekunden-Schnipsel, fällt aber ansonsten ziemlich ab. Der perfekte impressionistische Kontrapunkt zum epischen Finale des Albums. Aufgenommen: 76. -18.5. ’66 Zu hören auf: „Good Vibrations“-Box und Bootleg

Surfs Up (B. Wilson/V. D. Parks) 5:48

Man nehme das Instrumental aus der Sessions Box, verschweiße es mit der veröffentlichten Vokal-Version und presto! – eine doppelte Portion kreativer Höhenflug aus dem Hause Wilson/ Van Dyke Parks, komplett mit Eröffnungsthema. Die „The Child Is The Father…“-Coda verrät, dass „Smile“ ein Kontinuum ist. Und jetzt noch einmal von vorne, bitte. Aufgenommen: 8.11./15.12. ’66, Overdubs1971 Zu hören auf: „Surf’s Up“und „Good Vibrations“-Box

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