Lass es doch Gicht sein!

UM EIN HAAR HÄTTE hätte Graham Parker das Interview platzen lassen. „Völlig vergessen, ich hab mir gerade den Fernseher zum Fußballgucken angemacht“, entschuldigt er sich. Eine Aufwärmphase braucht der Mann, der vor gut 30 Jahren mit Elvis Costello um die Krone als wütendster britischer Songschreiber stritt, nicht. Parker rattert auch mit 62 noch wie ein Maschinengewehr.

Ganz weg vom Fenster war der seit den frühen Achtzigern an der amerikanischen Ostküste ansässige Brite nie; er war allenfalls seit der Auflösung seiner legendären Begleitband The Rumour im Jahr 1982 trotz regelmäßiger Veröffentlichungen in Karriere-Angelegenheiten unangemessen glücklos. Nun aber hat er eines der bemerkenswertesten Comebacks der vergangenen Jahre hingelegt: Nach über 30 Jahren Pause reformierte er seine alte Begleitband The Rumour. Parker: „Ich saß mit Andrew Bodnar, dem alten Rumour-Bassisten und dem ehemaligen Drummer Stephen Goulding im Studio. Die beiden hatten ewig nicht zusammengespielt. Irgendwann machte Andrew einen Witz:’Hey, wie wär’s, wenn du The Rumour wieder komplett zusammenbringst?‘ Es war ein Gag, aber genau das habe ich dann gemacht.“ Das Ganze sei tatsächlich äußerst unkompliziert verlaufen. Das größte Problem habe darin bestanden, dass Gitarrist Brinsley Schwarz seine Flugangst überwinden musste.

Doch es kam noch besser: Nur zwei Wochen später erhielt Parker eine Anfrage des Komödienregisseurs Judd Apatow. In dessen Film „This Is 40“ sollte der männliche Protagonist ein schlechtgehendes Plattenlabel für abgehalfterte Kultmusiker unterhalten. Zu diesem Zweck suchte Apatow dringend einen alternden Musiker, der die nötige Selbstironie mitbrachte, um sich selbst als totalen Loser zu spielen, der das Label praktisch ruiniert. „Im Ruinieren von kleinen Labels bin ich gut“, entgegnete Parker und schlug sofort ein, zumal er Apatow -seit den frühen Achtzigern ein glühender Fan – sogleich noch kundtun konnte, dass er The Rumour wieder hinter sich habe. Auf die Frage, wie viel der komische Kauz, den Parker im Film gibt, mit ihm selbst zu tun habe, lacht er erst einmal wiehernd: „Sagen wir’s so: Ich spiele eine übertriebene Version meiner selbst. Im Script standen kaum Gags und Dialoge, es wurde viel improvisiert. Deshalb habe ich mich in meinen Szenen ebenfalls bemüht, eine ordentliche Schüppe draufzulegen. Judd hatte etwa die Idee, dass ich aus Altersgründen Probleme mit dem Fuß habe. Ich habe ihm dann vorgeschlagen: ,Lass es doch Gicht sein, das ist noch unattraktiver.‘ Und so ist es dann im Film gelandet.“

Die Schauspielerei habe ihm keine Probleme bereitet, berichtet Parker. Auch habe er noch nie so gutes Catering bekommen. Schwer sei ihm lediglich gefallen, das neue Rumour-Album wegen des verschobenen Filmstarts so lange zurückzuhalten. Gerade weil er diesmal so stolz auf die Platte gewesen sei. Zu Recht: Parker hat wunderbare Songs geschrieben und die Band spielt mit Hingabe. Bedauerlich ist lediglich das von Apatows Design-Leuten verbrochene Cover. Was beim Hören auffällt, ist, dass sich der ehedem so zornige Parker heute dann und wann auch Sentimentalität und sogar Resignation leistet. Wieder wiehert er: „Ich hoffe doch, es ist Resignation mit einem Lächeln. Wäre ja sonst unerträglich.“ Ist ihm der wilde Wüterich der frühen Jahre denn heute fremd?“Ach, dieser Kerl von damals ist nicht weit weg, die Intensität ist immer noch ähnlich. Aber die Formulierung verrät es vermutlich: Ich sage ,dieser Kerl‘ „

Es muss, wenn man mit Graham Parker spricht, natürlich noch über einen anderen „Kerl“ geredet werden. Es gibt nicht wenige Leute, die der Meinung sind, Parker hätte weitaus erfolgreicher werden können, wenn nicht kurz nach Beginn seiner Karriere Elvis Costello aufgetaucht wäre und auf dem von Parkers Verkäufen finanzierten Label Stiff sein Debütalbum veröffentlicht hätte.

Parker wird merklich ernster: „Ach, dieser Vergleich Ich habe zwei Alben gemacht, bevor Costello aufkreuzte. Eines muss man verstehen: Als The Rumour 1976 anfingen, waren Punk und New Wave noch kein Ding. Das änderte sich erst durch die Sex Pistols. Da fanden all die Leute, die unser erstes Jahr verpasst haben, schlagartig ihre Musik und ihre Mode. Und Costello profitierte deutlich mehr von dieser Explosion als ich. Anfangs wurde er mit mir verglichen, später ich mit ihm. Das Label, das ihn unter Vertrag nahm, wurde übrigens von meinem Geld gegründet. Na ja, und heute ist es eben so, dass die meisten, die ihn kennen, noch nie von mir gehört haben. Schon lustig, aber ich kann ganz gut damit leben.“

ENGL. SONGSCHREIBER SUCHT KARRIERE

Graham Parker war mit seinem Punk vorgreifenden Pub-Rock einfach zu früh -ihm bleibt der Nachruhm

Seit dem Album „Howlin‘ Wind“(1976) arbeitete Graham Parker mit The Rumour, der Band um den Gitarristen Brinsley Schwarz, der zuvor eine Pub-Rock-Band unter seinem Namen geleitet hatte, der Nick Lowe angehörte. Graham Parker vermittelte mit seinen frühen Alben zwischen Pub-Rock der alten Schule und den Aufgeregtheiten von Punk und New Wave. 1980 versuchte er sich in den USA zu etablieren, weshalb Bruce Springsteen an „The Up Escalator“ mitwirkte, bevor The Rumour suspendiert wurden. Es nützte nichts: Graham Parkers Karriere tendierte gegen null.

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