Lausch ma, Pape!

Von "Die Zwei" bis "Seinfeld": Ist es wirklich witzig, hat es wahrscheinlich Synchron-Meister Rainer Brandt übersetzt

Wir sitzen auf einer weißen Ledergarnitur im kleinen 8oer-Trash-Chic-Teezimmer. Er holt zwei Pötte mit Kaffee für uns und legt Bierdeckel drunter. Rainer Brandt hat einen gesunden Teint. Um nicht den Eindruck zu erwecken, er gehöre zu diesen Höhensonnen-Fittis, erzählt er gleich, daß er just aus Südafrika kommt. Und es ist allein diese Stimme, die einen wieder zum achtjährigen Kindskopf macht, der sich bei den krausen Sprüchen von Tony Randall, Louis De Funes, Jean-Paul Belmondo, Terence Hill und vor allem Tony Curtis die ersten Falten holt. Und Grübelfalten waren das nicht.

Fast noch wirkungsmächtiger, geschichtsträchtiger und auch legendärer als seine Synchronsprecherkarriere ist seine Arbeit als Drehbuch-Übersetzer. „Ich habe viel Theater gespielt, Film, Fernsehen kamen dann dazu. Ich dachte, wer ist schon James Dean, Marlon Brando, die werden mich kennenlernen. Am Arsch, dann kam die Filmkrise. Da habe ich mich auch mal ein bißchen umgetan in der Synchronisation, habe hier und da mal ein Sätzchen sagen dürfen, irgendwann kam die Defa. Die hatten einen Film, das ist auch ein Kultfilm bei denen im Osten, ,Wenn die Kraniche ziehen‘, und da gab es solche Burschen, mit vollen, tiefen Stimmen. Die wollten sie besetzen, und das ging nicht. Entweder hatten die eine Stimme drauf, da war der Sack zu alt, was man hörte, oder aber es war ein Piepschen. Also mußte man zum Klassenfeind gehen und holte mich dann für die Hauptrolle. Und dann kamen die Westler: Wenn du das da kannst, dann mach doch hier auch.

Schnitt. Kurz danach kommt einer an mit einem Easy-Rider-Film, das fing damals an. Ich höre also das Original, sehe mir an, was da auf deutsch steht. Ich sage: Wat hier mit ’ner Matratze? Ja, das sagt der doch oben.

Mippm Schlafen, mippm Zelt… Wat der meint: Der will die ficken, die Braut, und das ist hier ein ganz heißer Ofen! Das war alles im kalifornischen Slang gesprochen und vollkommen falsch übersetzt. Und jetzt habe ich also das ganze Ding während des Aufnehmens neu übersetzt. Und dann sagte der, ich habe noch so ein Ding, mach du doch gleich das Buch. Und so bin ich da reingerutscht.“

Wenn hierzulande etwas wirklich witzig war, dann hat es mit hoher Wahrscheinlichkeit Rainer Brandt ins Deutsche gebracht. Neben diversen anderen gehen Serien wie „Männerwirtschaft“, „Fawlty Towers“, „M.A.S.H“, „Ein Käfig voller Helden“, später „Frasier“ und „Seinfeld“ auf sein Konto. Und eben „Die Zwei“ („The Persuaders“), sein in Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Brunnemann entstandenes frühes Meisterwerk, die nur 24 Folgen währende Krimipersiflage um die beiden dekadenten Playboys Lord Brett Sinclair (Roger Moore) und Danny Wilde (Tony Curtis), die aus bloßem Zeitvertreib „auf Ganovenjagd gehen“. Trotz der Starbesetzung und der für damalige Verhältnisse üppigen Ausstattung blieb der Erfolg weit hinter den Erwartungen zurück. Nur in Deutschland nicht. Und wer auf der bei Koch-Media erschienenen Acht-CD-Box die ziemlich maue Originaltonspur mit Rainer Brandts tiefergelegtem, heißgemachtem, aufgepimptem Sprachturbo vergleicht, der weiß auch sofort warum: „Dem hat man mit dem Hockeyschläger die Fontanelle gespalten, die verbleibenden paar Sardellen peitschte er sich mit Brillantine um den Ballon.“ Diese bis heute frische, schier überrumpelnde Kampf- und Dampfkalauerei war innovativ und wegweisend für das damalige Synchronisationsgeschäft. Brandt plünderte das Jiddische, die Jugend- und die Gaunersprache und das sowieso von allen guten Kellergeistern eingeflüsterte Idiom der Berliner Destille und kontrastiert dieses vorlaute Argot mit aristokratischen Gespreiztheiten. Die Diskrepanz solcher Preziosen zum vorherrsehenden Rotzsound macht stets einen ziemlich komischen Effekt: „Kleidsamer Fußsack, selbst gehäkelt?‘ Ja, katholisch Mufflon in karamelblau.“

Brandt entlehnt eben nicht nur, sondern jongliert mit dem Material, verballhornt, schafft neue witzige Zusammenhänge mit einem Mutwillen, der Harry Rowohlts Diktum, ‚wonach man sich für jeden ausgelassenen Kalauer dereinst vorm Schöpfer zu verantworten habe, ganz pragmatisch vorwegnimmt! Und mit einer Frechheit, die sich um die Drehbuchvorlage absolut nicht schert. „Was man bis heute nicht verstanden hat, man kann Humor nicht eins zu eins übersetzen. Das geht voll in die Knie, das geht voll in die Hose, aber dünn. Ich bin immer davon ausgegangen: Was wollte der Schreiber oder der Regisseur seinem Land vermitteln mit diesem Film, und dann habe ich versucht, das auf mein Land zu übertragen.“

So ist eine eigene Kunstsprache entstanden – das Brandtsch! -, deren Charme man sich gar nicht entziehen kann, wenn man sich sein Sensorium für Nonsens und eine gesunde Portion Infantilität bewahrt hat. „Im Sportpalast beispielsweise, da war mal ein Sechstagerennen. Da sind ja innen die Logen. Eine Loge wurde frei, und da kam ein Typ in meinem Alter und meinte: ,Ey du, lausch ma, Pape! In dem Vogelkäfig hier, wo die Türkenköppe hängen, da rührste uns ’n paar Stühle ein, ja? Da bau ich dir ’n Heiermann ein, und mit Getränken looft det ooch.‘ – ,Das ist doch wunderbar. Warum nimmt man das nicht?, habe ich gedacht. Und das hab ich dann versucht.“

Die lässige Diktion ist abgehört, der Rest war harte Arbeit. „Wir haben 80 bis 90 Prozent erfunden. Und das Schöne war, daß es wieder zurückschwappte. Die Leute haben sich so unterhalten.“ Das hat sogar die Linguistik bemerkt und Brandts Schaffen mit zwei Dissertationen dekoriert. „Ich glaub‘ mich tritt ein Pferd“, „Tschüssikowsky“, „Sleep well in your Bettgestell“ etc. – alles längst Volkseigentum, ursprünglich aber Brandts offensichtlich unerschöpflichem Phrasenschatzkästlein entsprungen.

So erklärt sich Brandt auch den Umstand, daß sich ausgerechnet „Die Zwei“ im Kollektivgedächtnis festgefressen haben, obwohl er davor schon einige Serien auf seine Weise veredelt hatte. ,“Ihr Auftritt, Al Mundy“, die war genauso gut! Oder „Department S“! Aber dann kam dieser Moment, wo die Zuschauer eine Folge gesehen haben und sich am nächsten Tag in diesem Slang unterhalten haben. Und das wurde dann aufgenommen von den Printmedien. Es gab den Bambi, das einzige Mal, wo überhaupt einer Synchronisation ein Bambi verliehen wurde. Aber was danach kam zum Beispiel „M.A.S.H.“ wunderbar, klasse, weitaus besser. Oder ,Ein Käfig voller Helden‘. Haben Sie das nicht gesehen?‘, fragt er, als ich einen Moment zögere. „Umsonst gelebt, kann ich nur sagen.“

Brandts Arbeit besticht nicht nur durch die Schlag- und Prägekraft der Sprüche, sondern vor allem auch durch die Präzision und Geschwindigkeit, mit der da gefeuert wird. „Das ist das zweite große Geheimnis. Normalerweise ist das ja so in Deutschland: Auf so einem Ende“, er mißt mit ausgebreitenen Armen eine Strecke, „wenn Sie da zwei Gags haben, ja, dann aber Standing ovations. Bei mir muß das zugekloppt sein! Lieber einen nach dem anderen, und zwei, drei hörste nicht, als daß es durchhängt.“

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