Leon – Der Profi

Leon ist ein Auftragskiller. Er ist massig und behäbig, sein Kopf fast kahlgeschoren, sein Gang wie der eines Verlierers. Trotzdem agiert er als Schatten. Wenn er in New York stoisch durch hektische Menschenmassen geht, fallt dieser Riese niemandem auf. Seine Gegner sind ohnehin vorher tot Leon tötet gefühllos perfekt empfindet nicht einmal Lust am Mord. Wie „Der eiskalte Engel“ von Jean-Pierre Melville würde er mit jener fatalistischen Mechanik sterben, wie er andere umlegt Aber hinter der minimalistischen Mimik liegt die Tragik einer verkümmerten Seele. „Leon“ ist der Buster Keaton unter den Profimördern. Seit dem Metro-Melodram „Subway“ hat der französischeRegisseur Luc Besson die Isolation seiner Figurenen vorangetrieben. Leons (Jean Reno) Welt hinter dem Töten ist Warten und Schweigen. Hat er seinen Job getan, kehrt er in ein karges Appartment von Manhattan zurück. Monomanisch und monogam ritualisiert er den Alltag. Menschen meidet Leon. Er greift nicht ein, als der korrupte Drogen-Polizist Stansficld (Gary Oldman) und seine Leute in der Nachbarwohnung die Familie der zwölfjährigen Mathilda (Natalie Portman) erschießen. Doch das Mädchen fleht an seiner Tür um Einlaß, und als Leon öffnet, bricht das Gefühls-Chaos über den autistischen Einsiedler herein. Das zauberhafte, freche Wesen irritiert ihn, stellt seine Unbeholfenheit bloß, und doch vermag er es nicht abzuschütteln. Nach seinem nächsten Auftrag ist Leon verwundet. Natürlich flirtet Besson mit der lolitahaften Sinnlichkeit von Mathilda, und Kritiker werden es ihm anlasten. Es sollte Besson nicht stören. Mit „Leon“ hat er sich als Ästhet des Action-Dramas erwiesen. Hier ist alles stimmig: Die Kamera zeigt jede Sequenz wie eine Photographie, Exzeß und Explosion kippen ins Verharren, der Witz reicht von Sarkasmus bis Schnippigkeit. Gary Oldman zeigt ein sardonisches Spiel. Alles hängt jedoch an Jean Reno. Wenn der Hüne Milch kauft, somnabul seine Hemden bügelt oder Pflanze pflegt, hat dies tragikomische Größe. Seine Lakonie folgt aus der Melancholie. Als seine verschütteten Emotionen ausbrechen, bekommen Anti-Terror-Spezialisten seine Präzision zu spüren. Dieses Showdown exekutiert Hollywood.

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