Libertines – Berlin, Kalkscheune

Neben Songs vom tollen neuen Album erwartet man beim Konzert der Libertines auch die Aufführung der gesamten Geschichte - aber der Hauptdarsteller fehlt

Zum Teufel mit dem Gewese um das erste Mal. Gibt doch immer auch ein Ende der Fahnenstange. Weil es das letzte Mal gewesen sein könnte, brannte die Luft in der Kalkscheune. Die vornehmlich jungen Menschen in freudiger Erwartung und mit sorgfältig zerzaustem Haar. Für die Band, über die die Pop-Presse sich angewöhnt hat, bereits im Imperfekt zu sprechen. Dabei haben die Libertines gerade mal ihr zweites Album auf dem Markt Und eine Menge Gesprächsstoff mit dem ganzen Thrill aus dem großen Drogen-, Rock- und Selbstzerstörungsprogramm. Vor allem die beiden Libertines-Köpfe Peter Doherty und Carl Barat küssten und schlugen sich ja. Doherty gibt in England ab und zu Überraschungskonzerte mit seinen Babyshambles, wild in London von Autos angefahren und frönt der Sucht – die Libertines touren ohne ihn, auch wenn Barat zu Protokoll gibt, ohne seinen Freund eigentlich keine Lust mehr an den Libertines zu haben. Was nun wirklich genug Gründe sind, einem Konzert der Band minus Doherty den Extrakick zu geben. Hier könnte Geschichte gemacht – oder doch zumindest aufgeführt werden.

Zuerst aber wurde mächtig gepafft, um aus der Kalkscheune den würdig verqualmten Ort für die eventuelle historische Stunde zu machen. Es war stickig. Es war brechend voll. Konnte man nicht meckern: Alle äußeren Umstände für einen anständigen Rock’n’Roll waren gegeben. Dass die Säulen noch den Blick auf die Bühne versperrten, war noch der Tupfen auf dem i. Ein Drecksloch, diese Kalkscheune, so dass die Libertines in ihrer jugendlichen Smartness genau als die jungen Götter erscheinen mussten, als die man sie gerade als weiteren Rettungstrupp des wilden Rock’n’Roll auserkoren hat Man durfte nur nicht so genau hinschauen.

Die Haare sorgfältig zerzaust, ein paar schlaksige Bewegungen. Später noch der nackte Oberkörper. Mehr war da nicht an Show bei den Libertines, dafür dieser schöne alte Aberglauben, dass es allein die Musik sei, die zählt. Mit wilder Wut stürzte sich die Menge vor der Bühne hinein. Eine frenetische Begeisterung, die dann nicht wirklich durch die Musik allein erklärt werden konnte. Wie sie niedergekreischt wurde wenigstens am Anfang des Konzertes, als wäre man bei den Beatles anno dunnemals. Können gar nicht nur die Mädels gewesen sein. Andererseits: Hört man heute in nüchterner Stimmung die alten Liveaufnahmen der Beatles (die zerkreischten vom Hollywood Bowl, nicht die tollen aus dem Starclub), ist das auch nicht die Erleuchtung.

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