Little Big Man. Zum Tod des Filmregisseurs Arthur Penn.
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch verstarb Arthur Penn - Regisseur solch legendärer Filme wie "Bonnie & Clyde" oder eben "Little Big Man". Arthur Penn wurde 88 Jahre alt. Ein Nachruf von Arne Willander.
Er konnte kaum mehr als ein Dutzend Spielfilme realisieren in 50 Jahren, aber er beklagte sich nicht. Als Arthur Penn 2007 bei den Filmfestspielen in Berlin den Goldenen Bären für sein Lebenswerk erhielt, erlebte man einen kreglen, wachen, blitzgescheiten alten Mann, der ohne Reue auf die Tücken des Filmgeschäfts zurückblickte. In Deutschland hatte er 1984 noch den konfusen Thriller „Target“ mit Gene Hackman und Matt Dillon gedreht, dem man anmerkte, dass er Alan J. Pakula besser gelegen hätte – und dass die Siebziger vorbei waren.
Man wird sich an Arthur Penn immer erinnern für „Bonnie & Clyde“, den Film, der 1967 nicht nur nach Peter Biskinds Auffassung das New Hollywood begründete. Warren Beatty, mit dem er 1965 bei „Mickey One“ zusammengearbeitet hatte, drängte Penn zur Übernahme der Regie, nachdem Francois Truffaut und Jean-Luc Godard abgesagt hatten. Später reklamierte Beatty viele der visuellen Einfälle für sich, doch war es Penn, der das legendäre Todesballett am Ende des Films inszenierte, bei dem Faye Dunaway und Beatty von Kugeln zerfetzt werden. Grauenvoll die Stille zuvor, das Knacken von Zweigen, das Auffliegen der Vögel, die letzten Blicke des Liebespaars. Dann rattern die Gewehre.
Kameramann Burnett Guffey erfand unter schwierigsten Bedingungen wunderbare Szenen und filmte die Autoverfolgungsjagden, die später mit der Old Timey Music von Flatt & Scruggs versehen wurden – er erhielt einen Oscar für seine Arbeit. Das Drehbuch von Robert Benton (später selbst Regisseur) und David Newman hatte Clyde Barrow als bisexuell angelegt, doch Produzent und Hauptdarsteller Beatty ließ das von Script Doctor Robert Towne ändern: Clyde ist impotent, was zu der erotischsten vergeblichen Verführung der Kinogeschichte führte. Gene Hackman brillierte als Gangster Buck Barrow, Estelle Parsons bekam für ihre Nebenrolle einen Oscar.
Der alte Studiochef Jack Warner wurde bei der Vorführung des Films mehrfach beim Gang auf die Toilette gesehen – er beurteilte ein Werk stets nach der Pinkel-Quote. Gewalt und Sexualität stießen Warner tatsächlich ab; und er hatte den Film nicht verstanden. Nun hatte Warner Bros. in den 30er-Jahren ja die großen (und sehr brutalen) Gangster-Filme mit James Cagney, Humphrey Bogart und Edward G. Robinson produziert, weshalb Beatty dem Mogul zuredete: „Es ist eine Hommage an die alten Warner-Filme!“ Der Studioboss fragte schlecht gelaunt: „Was ist eine Hommage?“
Arthur Penn war 1922 in Philadelphia geboren worden; im Zweiten Weltkrieg trat er unter der Regie des späteren Filmregisseurs Joshua Logan im Fronttheater auf. Nach dem Krieg besuchte er das Actors Studio in Los Angeles. 1957 dreht er den formal schon gewagten Western „The Left Handed Gun“ mit Paul Newman. Für „The Miracle Worker“ war Penn für den Oscar nominiert worden; doch 1964 wurde er aus Burt Lancasters Projekt „Der Zug“ entlassen – an seiner Stelle inszenierte dann John Frankenheimer, der Favorit des launischen Schauspielers. 1966 wurde Penn von dem gefürchteten Produzenten Sam Spiegel „The Chase“ anvertraut, ein Südstaaten-Drama um einen Kleinstadt-Sheriff, einen geflohenen Verdächtigen und die bigotte Gesellschaft, die zum Lynch-Mob wird. Marlon Brando gibt kaugummikauend, schmerbäuchig und mit Cowboy-Hut den unentschlossenen, phlegmatischen Polizisten, der junge Robert Redford muss nur flüchten. Spiegel ließ den Film umschneiden und das Finale ändern, aber „The Chase“ ist doch eine der besten Studien über die Heuchelei reicher Rednecks.
Nach „Bonnie & Clyde“ drehte Penn „Alices Restaurant“ (1970), einen Beitrag zur Hippie-Kultur auf dem Terrain von Hal Ashby. Das ambitionierte, aber vor allem skurrile und überlange Geschichts-Panorama „Little Big Man“ (1971) mit Dustin Hoffman nahm „Forrest Gump“ vorweg und wurde Penns größter Erfolg. „The Missouri Breaks“ von 1975 ist Penns letztes Meisterwerk: Der feiste Marlon Brando spielt einen tuntigen „Regulator“, der von Farmern im Kampf gegen Viehdiebe engagiert wird. Der humorige und eloquente Killer bemächtigt sich bald der Badewanne und der Tochter seines Auftraggebers und wird schließlich von dem wackeren Rancher Jack Nicholson zur Strecke gebracht. Brando trägt einmal, auf dem Pferd sitzend, Frauenkleider und ein tantenhaftes Hütchen – und er spricht von sich in der dritten Person und nennt sich „Großmutter“.
Später arbeitete Arthur Penn sporadisch fürs Fernsehen; im Jahr 2000 wirkte er als Produzent der Serie „Law & Order“.
Gestern starb der große kleine Erneuerer des Kinos in Manhattan.
Arne Willander
Foto: Arthur Penn auf einer Preisverleihung im Februar 2007 (Getty Images)