Luke Noa: So war die Release Show von seinem neuen Album „Début“
Ein aufstrebender Indie-Folk Künstler zeigt mit seinem Debütalbum was er kann und wer er sein will.
19 Uhr. Noch zwei Stunden bis Showbeginn. Auf dem RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain liegt der frühsommerliche Abend wie ein leichter Filter über rostigem Stahl und bröckelndem Backstein. Das „Badehaus“ ist heute Bühne für ein Finale: Luke Noas letztes Konzert seiner ersten eigenen Headliner-Tour. Und das erste mit einem veröffentlichten Album im Rücken – Début.
Auf einer flachen Betontreppe am Rand des Geländes sitzt Luke mit einem Sandwich in der Hand. Hähnchen, Erdnusssoße. „Eigentlich kann ich vor Shows nie essen“, sagt er und beißt trotzdem ab. Die dunklen Locken über seiner Stirn glänzen im Gegenlicht, gebändigt mit Pomade, akkurat aufgeschüttelt. Ein kurzer Blick zur Seite: „Wie liegen meine Haare?“ Seine Stimme klingt heiser. Er trägt eine rot leuchtende Hundetrainerjacke – längst mehr als nur ein Kleidungsstück. Sie ist sein Markenzeichen. „Ich freu mich immer, wenn Freunde da sind.“ Viele davon – selbst Musiker – stehen heute im Publikum. Es ist der letzte Abend. Die letzte Stadt. Nach Hamburg, Köln, Stuttgart, Zürich. Eine Woche ist die letzte Show in München nun her. „Ich hab ein bisschen Angst, dass ich aus dem Rhythmus bin“, sagt er.
Zurück in der Venue springen zwei junge Frauen ins Auge. Sie stehen ganz vorne, noch bevor jemand die Bühne betritt. Eine von ihnen trägt eine rosa, herzförmige Sonnenbrille. Auf die schwarzen Gläser hat sie Glitzersteine geklebt. Ein „L“ auf das eine, ein „N“ auf das andere. „War ‘ne Aktion, bis das hielt“, sagt Mira lachend. Sie und ihre Freundin Sophie waren bereits in München mit dabei. „Wir mussten nochmal kommen. Das ist das letzte Konzert. Das ist Abschied“, sagt Mira. Seit zwei Jahren verfolgen sie Luke Noa. „Er ist der Erste, bei dem ich alle Texte kann“, sagt Sophie grinsend.
Alte EPs, neues Album – und eine Stimme, die beides kann
20:50 Uhr. Showtime. Die Bühne ist in warmes, gelbes Licht getaucht. Do I Wanna eröffnet den Abend. Kein großes Intro, kein Effektgewitter. Nur Luke Noa, eine Gitarre – und ein kurzer Moment, bevor die ersten Akkorde erklingen. Ein zurückhaltender, melancholischer Start. Seine Stimme allein, rau, fast hauchend. Sie gleitet über die Akkorde, begleitet von weichen Harmonien des Pianos.
Was folgt ist kein kalkuliertes Popkonzept – sondern ein Abend, der sich bewegt, wie Musik sich bewegen sollte. Mal getragen, mal treibend. Zwischen alten und neuen Songs entsteht kein Bruch, sondern eine Linie: von einem jungen Künstler, der sich gerade erst ernsthaft zu zeigen beginnt. Und Noa zeigt was er kann, aber besonders: wer er sein will.
Songs wie Gracie handeln von der amerikanischen Sängerin Gracie Abrams, und sie wechseln zwischen Leichtigkeit und Sehnsucht. Es ist ein Liebeslied an jemanden, den er nie getroffen hat. Es klingt verträumt, leicht, warm. Ein Song, in dem sich das Gefühl einnistet, an jemanden zu denken, der nicht mal weiß, dass man existiert.
Farbenwechsel. Denn dann kommen die älteren Songs – etwa Feedback oder Your Smile Should Have Been Mine – und treiben das Tempo hoch. Licht springt von rot zu grün zu blau. Hier wird es lauter, getriebener. Die Drums bekommen mehr Raum, die Arrangements sind dichter, klingen mit kantigen Gitarren nach Phoenix, Two Door Cinema Club, auch frühe The Kooks blitzen durch. Noa singt hier kraftvoller, fordernder. Es ist eine andere Seite von ihm, aber keine unpassende. Der frühere Sound von Noa ist roher, bandgetriebener – und steht ihm dennoch. Die Songs zeigen, wo er herkommt.
Zwischen den Songs bricht er aus der Musik aus – sagt ein paar Worte. „Ich freu mich, dass ihr alle hier seid.“ Dann grinst er, ein Grübchen blitzt kurz auf. In diesen Momenten wirkt er fast schüchtern – bis er wieder spielt. Dann ist alles da: Haltung, Timing, Präzision.
What a Day von Début ist ironisch cool. Man merkt: Noa kann immer noch leicht. Der Bass direkt, das Tempo lässig, der Text fast augenzwinkernd: „But I say uh – what a day, what a lovely day.“ Die Band – Drums, Keys, Bass und eine freudig überraschende Trompete bei Never Forget How – bleibt cool und präsent. Es ist spürbar, dass Noa sich auf sie verlassen kann.

Bei Bleach, seinem bisher erfolgreichsten Song mit über 4,5 Millionen Streams, macht Noas Stimme eine Kehrtwende. Er klingt live ein bisschen rauer als auf Spotify, aber genau das steht ihm gut. Was zu Beginn des Abends noch als junger Paolo Nutini beschrieben werden konnte, reiht sich nun mit Gus Dapperton oder Declan McKenna ein. Noa ist vielseitig und weiß, seine Stimme passend zum Anlass einzusetzen.
Und doch – seine Stimme wirkt am stärksten in der Ruhe. In Demons vom neuen Album etwa. Ein Song, der sich langsam aufbaut, getragen von Klavier und Gitarre. Noas Stimme brüchig, fast klagend, als würde er selbst noch mit dem verhandeln, was er da singt: „I’ve been living in a daydream Baby. I’ve been hiding with my demons lately“. Es ist der Song, bei dem Mira und Sophie weinen – wie zuvor schon in München.
Roccastrada bleibt der letzte Song. Noa wirkt dabei gelöst, fast erleichtert. Die Stimme ist locker, die Bewegungen offener. Der Sound ist energetisch, klar strukturiert, mit treibendem Schlagzeug. Hier treffen seine Egos zusammen: der klare Folk und der energische Indie-Rock. Ein letztes Mal mitsingen, ein letztes Mal mitspringen. Nach dem Konzert sagen Mira und Sophie: „Er hat alles gegeben. Und wir auch.“
Mehr Intimität, weniger Druck – Luke Noas aktuelle Richtung
Zwei Seiten von Luke Noa boten sich an diesem Abend ein Ringen um Daseinsberechtigung und spielten sich auf der Bühne gegenseitig gegen die Wand. Alt gegen Neu.
Noas neuer Sound ist ruhiger und aufgeräumter. Die Songs des Albums Début wirken fokussierter, reduzierter, folkiger. Weg vom aufgeladenen Indie-Rock der frühen Songs, hin zu mehr Intimität. Mehr Raum für Stimme und Text. Es sind jedoch keineswegs unbekannte Gefilde, in die der 26-Jährige eintaucht.
Seine größte Inspiration ist die britische Folk-Band Mumford & Sons mit dessen ehemaligen Drummer Chris Maas er auf dem neuen Album sogar zusammenarbeiten durfte. Noa kam durch sie zur Musik. Als Teenager zeigte ihm sein Onkel einen Konzertfilm der Band. Obwohl der damals 14-Jährige aufgrund einer zuvor durchzechten Nacht mittendrin einschlief, erwachte er als anderer Mensch. Ab dem Moment wusste er, er muss Musik machen. Er wollte Teil dieser Energie, dieser Welt sein. „Einmal Support für Mumford & Sons – das wär’s“, sagt er. Und irgendwie wirkt das weniger wie ein Traum – und mehr wie eine sehr konkrete Richtung. Mit seinem Album Début macht sich Luke Noa nicht auf in Neuland – er kommt nach Hause.
Anmerkung der Redaktion: Die Autorin kennt den Künstler persönlich.