Lynyrd Skynyrd: Lynyrd Skynyrd live in Berlin

Berlin, Columbiahalle.

Es sind ja nur die Epiphanien, die einem wirklich zeitlebens in Erinnerung bleiben; diese vor Intensität glühenden Momente, die sich wie ein Brandzeichen in die Großhirnrinde dampfen. Wer an diesem stinknormalen Montag gläubig und offenen Sinnes in die Columbiahalle pilgerte, der konnte im Lichte des Gitarren-Dreigestirns Gary Rossington, Rickey Medlocke und Hughie Thomasson einer solchen unio mystica beiwohnen.

Die dafür nötige Liturgie stand so fest wie das Wort in der Bibel. Betont maskuliner Hardrock aus den ehemals konföderierten Landesteilen ward hier geboten, so abgrundtief ehrlich und aufrichtig, dass man’s kaum glauben mochte und immer auf ein Augenzwinkern oder ironisches Grinsen gefasst war. Aber es kam nie. Wo wirklich geschuftet wird, da bleibt eben keine Zeit für Spaße. Und wenn man diesen Holzfällern bei der Arbeit zusehen darf, wie da jeder Hieb sitzt, dann vermisst man derlei Spitzfindigkeiten gar nicht mehr. Natürlich hat man die alten „Sachen“ wieder aufgewärmt – „Free Bird“, „That Smell“, „Simple Man“,ja, und auch „Sweet Home Alabama“, aber alles zu seiner Zeit und an seinem richtigen Ort und noch dazu in Versionen, die so spritzig-energetisch und auch so obsessiv waren, als hätte man den Songs soeben Leben eingehaucht.

Auch das Neue Testament wurde zitiert, die streckenweise durchaus ebenbürtige Werkphase der 90er Jahre mit Preziosen wie „Preacher Man“ und dem wunderbar stoischen „Workin“‚. Tja, und dann passierte dieses Unglück. Mitten im Chorus riss Medlocke eine Saite. Er gab den Roadies backstage Zeichen, aber es tat sich nichts. Er schnauzte nach hinten, zwischen den Gesangspausen versteht sich, stöpselte die Gitarre ab und stand da mit dem Kabel in den Hand. Schließlich rannte er von der Bühne, und nun ahnte man den Grund für seine Aufregung: Ein Solo wurde vorbereitet – offensichtlich seins. Eine Bridge, dem Solisten wurde der rote Teppich ausgerollt, aber Medlocke war immer noch nicht da. Und nun? Was machte die Band? Sie spielte wahrhaftig eine Warteschleife. Da kam Medlocke wieder, immer noch ohne Gitarre und zeigte auf Rossington – und der ließ ein grimmiges Lächeln sehen, ging zum Bühnenrand und holte den vermaledeiten Song wieder nach Hause. Mein rauschebärtiger Nachbar in Lederweste sah mich stolz an, stolz auf das soeben Beobachtete, an dem er Anteil haben durfte. „Hast du das gesehen?“ Natürlich hatte ich.

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