Madness: Tolles Tourfinale im Berliner Tempodrom

Ska aus den Achtzigern. UK-Popklassiker wie „Our House“ oder „It Must be Love“, und a whole lotta Selbstironie. Erwachsenen-Dance in Berlin

Je oller, desto doller. Dieses etwas hausbackene Sprichwort wurde zum Motto der am Wochenende zu Ende gegangenen Tour der Londoner Ska-Band Madness, die zweimal hintereinander im Berliner Multifunktionsbau „Tempodrom“ auftrat.

Neun Herren um die 60 (Band plus Blechbläser und Percussion) sind gut drauf, machen fein dosierte Späße und zeigen – statt Vorband – fast schon pädagogisch wirkende Videos aus den Dekadentenwende 1970er zu den 1980ern:

Pixelige Filmschnipsel aus der frühen Bluebeat- und Ska-Ära, als karibische Einwanderer nach Großbritannien kamen und der schwarze „Rude Boy“ zum Rollenmodell auch für weiße Teenager wurde. Dazu Punkiges mit The Jam, The Clash und auch Bob Marley lud zur Party. Also wollten Madness den paar Jüngeren im Publikum sagen: „Sehr her, Kinder, so war DAS damals!“

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Gegen 21 Uhr wurde das Historienkabinett dann geschlossen. Ein roter Vorhang wurde auf die Hinterbühnen-Leinwand projeziert – und der Spaß konnte beginnen.

Sänger Suggs (61) trat mit Sonnenbrille und Anzug auf die Bühne und läutete, mit viel Hall auf der Stimme den „heavy, heavy monster sound“ ein. Etwas fülliger geworden in über 40 Jahren seiner Karriere, wirkte er aus den hinteren Reihen wie Leonardo DiCaprio in einer Scorsese-Verfilmung über das Two-Tone-Label in Coventry.

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Der gewohnt charmante Entertainer Suggs plaudert aus dem Tour-Nähkästchen. „Keine Ahnung, wie der gestrige Abend zu Ende ging. Aus meiner Stirn tröpfelt immer noch Bier“. Nach dem ersten Berlin-Konzert hatte es die Crew Engländer-mäßig krachen lassen.

Jedoch null Hangover. Die Rhythmus-Einsätze kommen präzise, das Timing stimmt. Ein Mix aus der frühen Ska-Ära und der späteren Pop-Ära ab den mittleren Achtzigern. Die Zeile „waiting for the train that never comes“ aus „Ghost Train” ist längst in die UK-Umgangssprache eingegangen.

Suggs macht Witzchen zum 25-jährigen Bühnenjubiläum der Spice Girls; und nicht nur die grafisch schick gestalteten Hintergrundfilmchen erinnerten an die Anarcho-Comedy-Truppe Monty Python.

„Wir sind voll glücklich, dass es euch noch gibt … aber ehrlich gesagt …. sind wir noch viel froher, dass WIR noch da sind“, so Suggs zum – mit allen Insignien vormaliger Jugend- und Subkulturen – ausgestatteten Publikum. Quer durch die Halle wurde eifrig Action gemacht.

Suggs gönnt sich zwei Verschnaufpausen, in denen er den bestens gelaunten Kollegen das Mikro überlässt, und zum großen Finale „Nightboat to Cairo“ werden Originalvideo-Schnipseln von früheren Videos eingeblendet, die man heute SO wohl auf nicht mehr drehen würde. Damals marschierte man noch mit Tropenhelm und „Desert Boots“ durch ein Fantasy-Ägypten und machte alberne Kolonialscherze – ist das „kulturelle Aneignung“?

Gekontert wurde diese vom Publikum eifrig behüpfte und betanze Schlussnummer mit Szenen aus der Hollywood-Mega-Schmonzette „Kleopatra“. Dieser entwaffnende Humor, gepaart mit gekonnter Lebensfreude, würde man manchen Kampfdiskurs-Kollegen gerne wärmstens empfehlen.

„One Step Beyond“ hinein in die Berliner Nacht!

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