März 2002: Martini pisst auf Ozzys Teppich

Was waren das noch für Zeiten, als Vater Cliff und Mutter Claire ihre Rasselbande mit konservativ-harmlosem, einfallsreichem Humor zwischen Schulaufgaben und Pubertätsproblemchen durch den Alltag manövrierten. Jahre- und jahrzehntelang galt die Bill Cosby Show als die beliebteste Familien-Comedy des Fernsehprogramms, doch als MTV 2002 die erste große Reality Soap sendet, erscheinen die Huxtables im Vergleich zu Ozzy Osbourne und seinem Clan in etwa so spannend wie die Teletubbies im Vergleich zu Terminator 2. Und dabei zeigt man die Osbournes ohne Skript und Plan, sondern einfach nur so, wie sie eben sind: raubeinig, degeneriert, hemmungslos fluchend.

Rockidol Ozzy in all seiner Schrägheit im Alltag zu erleben, wirkt bizarr und deplaziert und weckt eine neue Art von Voyeurismus, die dem Sender die meistgesehene Serie seiner Geschichte beschert. Schon in der zweiten Folge der ersten Staffel geschieht Bemerkenswertes: Hundedame Lola droppt ein beachtliches Häufchen Wauzi-Kompost in Ozzys und Sharons Schlafzimmer und pieselt obendrein aufs Sofa. Ozzys Kommentar: „That fucking dog must have an extra tank in its arse. It’s like plutonium turds.“ Als dann auch noch der vermeintlich schwule Chihuahua Martini nach Herzenslust auf Ozzys heiligen Teppich uriniert, platzt dem Prince of Darkness der Kragen: „Who pissed!!? Who pissed on my fucking carpet!?! That bastard fucking dog, man. I’m going to throw you in the pool! It’s a fucking terrorist, man! It’s fucking part of Bin Laden’s gang!“

Bemerkenswert ist daran weniger das Ausmaß des erwähnten Übels als vielmehr die Tatsache, dass der rockfreie Inhalt der Serie Ozzys neue Plattform darstellt und sein bewundernswertes Entertainment-Vermögen abruft. Denn: Mit Musik hat all das nichts zu tun, dafür aber umso mehr mit der wohl cleversten Vermarktung eines alternden Rockstars aller Zeiten. Ozzy liefert eine Anekdote nach der anderen, untermauert seinen Kultstatus, bleibt dauerhaft im Gespräch, seine Frau Sharon bekommt eine eigene Talk-Show und Tochter Kelly versucht sich ihrerseits als Pop-Sängerin. Und „The Osbournes“ spielen einen perfekt getimten Steilpass in die Füße anderer Stars: Run von Run DMC ist mit einer eigenen Doku-Soap namens „Run’s House“ zu sehen, Hulk Hogan startet „Hogan Knows Best“, und selbst in Deutschland gibt es mit „Sarah & Marc in Love“ oder neuerdings „Effenbergs Heimspiel“ etliche Nachahmer. Das Konzept ist dabei immer gleich: Stars im Alltag. Mit Beziehungs-Streitereien, Krankheiten, Alkoholproblemen, zu viel Geld und noch mehr Ego.

Sogar hilfreiche Kritik und Empörung ist vernehmbar: In den USA werden die vielzähligen F-Worte mit Beeps überlegt, was zum Running Gag avanciert und der Meister selbst so kontert: „Ich bevorzuge die zensierte Ausstrahlung, da hier die Fluche dank der Beeps besser zur Geltung kommen.“ Und selbst seine eigene Tochter Aimee weigert sich von Beginn an, dem Spektakel beizuwohnen. So taucht sie in der Serie nicht auf und kritisiert ihre Eltern sogar öffentlich. Denen kann’s egal sein: „The Osbournes“ laufen bis 2005 und werden 2002 mit dem „Primetime Emmy Award for Outstanding Reality Program“ ausgezeichnet.

Derzeit lässt die Produktionsfirma Freemantle Media („American Idol“) verlauten, die Osbournes hätten sich erneut zusammengerauft und planten für 2009 eine Variety-Show nach europäischem Vorbild – eine Mischung aus „competition, stunts and Performances“. Machen wir’s wie Ozzy und betrachten all das mit der nötigen Souveränität: „Sometimes I’m scared of being Ozzy Osbourne. But it could have been worse. I could have been Sting.“

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