Mann für Millionen

Im vergangen Jahr verkaufte er Millionen von Platten, tourte mit A mer ik a s Country-Prinzessin Tay lor Swift und nahm den größten Teil seines zweiten Albums „X“ auf (erscheint am 20.06.). Als Ed Sheeran im Oktober einen wohlverdienten Urlaub auf Ibiza machte, sah er die Gelegenheit gekommen, einmal in seinem Leben MDMA zu probieren. „Wenn’s einen Platz auf der Welt gibt, der sich dafür anbietet, dann Ibiza“, sagt Sheeran, der dort die Trauung seines Produzenten Jake Gosling besuchte. (Er brachte dem Paar mit „Stand By Me“ auch brav ein Ständchen.) Als er gerade auf dem Höhepunkt seines Höhenflugs war, bekam er eine SMS von Regisseur Peter Jackson, der bei ihm anfragte, ob er nicht einen Song für den kommenden „Hobbit“-Film schreiben könne. „Ich glaubte zunächst, die SMS sei ein Witz. Ich fragte mich:,Ist es wirklich möglich, dass der heutige Tag nur aus Volltreffern besteht?'“ Dabei war es bloß ein weiterer surrealer Moment im Leben des klein gewachsenen, stets höflichen 23-jährigen Briten, der vermutlich der untypischste Popstar ist, den man sich vorstellen kann. Sheeran wuchs im ländlichen Suffolk auf und verbrachte Jahre damit, mit seiner Gitarre durch Cafés zu tingeln und auf fremden Sofas zu übernachten. 2012 sollte sich alles schlagartig ändern, als er mit dem Album „+“ und seinen Folk-Pop-Balladen bekannt wurde. Seitdem hat er neben seinem Mentor Elton John bei den Grammys gespielt („Direkt vor der Übertragung meinte er noch:,Ed, jetzt kommt übrigens einer der unpassendsten Momente, deinen Schwanz rauszuholen.‘ Es ist Balsam für die Nerven, wenn dir jemand in solchen Situationen so abartige Sachen erzählt“), Margaritas mit Paul McCartney getrunken und 66 Shows mit Taylor Swift gespielt, bevor er dann selbst den Madison Square Garden ausverkaufte -und zwar gleich drei Mal. „Was in den letzten Jahren passiert ist“, sagt er, „passt auf keine Kuhhaut.“ Sheeran ist gerade von Sir Eltons Oscar-Party in L. A. zurückgekehrt, hockt im Konferenzzimmer von Atlantic in New York und nippt an einer Cola. „Ich saß neben Donatella Versace -was allein schon ein Trip war. Sicher, allzu viel Gemeinsamkeiten haben wir nicht gerade, aber sie war auf jeden Fall sehr nett.“

Nach dem ungeahnten Er folg von „+“ lag die Messlatte f ür „X“ (auch „Multiply“ genannt) erschreckend hoch. Sheeran schrieb im Lauf von drei Jahren 120 Songs und ging mit Produzenten wie Rick Rubin, Pharrell Williams und Benny Bianco ins Studio. „Ich wollte rohe, ehrliche Songs, die direkt aus dem Herzen kommen. Wenn man beispielsweise diesen Kesha-Pitbull-Song hört, weiß man natürlich sofort, dass es ein Hit wird, aber zum Lachen oder Weinen bringt er dich nicht. Und man sitzt auch nicht fünf Stunden lang in der Ecke und hört sich die Nummer immer wieder an.“

Ernsthaft begann er mit der Arbeit an dem neuen Album, als er im vergangenen Sommer in ein Haus in Venice, Kalifornien zog, das George Harrisons Sohn Dhani gehört. Dummerweise hatte er gerade hier mit unerwarteten Konzentrationsproblemen zu kämpfen. „Jeder in L. A. scheint auf den Hype um einen Newcomer abzufahren -vor allem, wenn man den Newcomer in seinen eigenen vier Wänden begrüßen kann. Ich habe das alles mit der nötigen Distanz über mich ergehen lassen.“ Er grinst -und erzählt dann von einer Marathon-Party mit Leuten wie Swift, Ellie Goulding, Gavin DeGraw und Snow Patrol. „Wir ließen die Gitarre kreisen und soffen die ganze Nacht. Es war irre.“

Doch selbst Holly wood verlor schnell seinen Glanz. Sheeran, seit fast acht Monaten in den USA unterwegs, war ausgebrannt und hatte Heimweh. In Venice hing er öfter in einer Absturzkneipe namens „The Brig“ ab, wo er sich mit seinem bevorzugten „Fireball“-Zimt-W h i ske y über die Runden rettete.

Das resultierende Album ist voller „Songs über alkoholisierte Melancholie und kapitale Kater jeglicher Art“, wie er es selbst beschreibt. „Sing“, von Pharrell Williams produziert, beschreibt den Versuch, auf einer alkoholfreien Businessparty doch einen Tropfen aufzutreiben, und das mit Funk und R&B versetzte „Don’t“ ist eine verbitterte Suada über ein Techtelmechtel mit einer real existierenden Sängerin, das in Wut und Enttäuschung umschlug, als die Dame auch mit seinem besten Freund ins Bett stieg. Angesichts des Textes -„Me and her, we make money the same way/Four cities, two planes the same day“ – konnte sich Sheeran natürlich ausrechnen, wen die Fans da im Verdacht hatten, aber: „Zu hundert Prozent handelt es sich dabei nicht um Taylor“, sagt er. „Wer Taylor zu nahe tritt, muss bekanntlich damit rechnen, dass sie einen Song über einen schreibt – und das bedeutet nur Unheil. Ich hab mit Taylor jedenfalls nie was gehabt -mit ein paar anderen Sängerinnen aber schon.“(Klatsch-Medien reden in diesem Zusammenhang von Selena Gomez und Goulding.)

Sheeran spielte Swift den Song allerdings vor, nachdem er ihn geschrieben hatte. „Sie sagte was in der Art wie:,Was immer zwischen uns als Freunden passiert – ich möchte nie etwas tun, das dich so wütend macht.'“ Swift ihrerseits hat sich angewöhnt, neue Songs Sheeran zur Begutachtung vorzuspielen -„und sie sind wirklich verdammt gut“, sagt er. „Sie hat den Standard ganz schön nach oben geschraubt.“

Seit geraumer Zeit hat er dem Alkohol entsagt, um mit nüchternem Kopf das neue Album zu promoten und sich auf die anstehende Tour vorzubereiten. „Das ist meine Arbeitsphase“, sagt er -und klingt dann oft wie ein Musikmanager, der über Umsätze und Karrierestrategien palavert. „Er ist einer der ehrgeizigsten Leute, die ich kenne“, bestätigt der englische Singer/Songwriter Mike Rosenberg alias Passenger, der Sheeran seit seinem 15. Lebensjahr begleitet. „Ich glaube, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er die ganze Welt aufgerollt hat.“ „Ich bin zielorientierter , als es die meisten Leute w a h r s c hei n l ic h vermuten“, räumt er selbst ein. „Als ich sagte, dass ich im M a d i s o n Square G a rden spielen will, hörte ich von diversen Zeitgenossen, dass ich größenwahnsinnig sei. Aber ich hab’s gepackt. Und als ich sagte, dass ich vier Millionen Alben verkaufen will – obwohl es gerade bei 2,5 Millionen stagnierte -, fuhr ich in die USA, schaffte es auf die Taylor-Swift-Tour -und stellte sicher, dass es vier Millionen wurden.“

Trotzdem gelingt es Ed Sheeran manchmal, wie ein bescheidener, uneitler Junge rüberzukommen, der daheim noch immer mit der Gitarre durch die Coffeeshops zieht. „Manchmal hab ich wirklich das Gefühl, als wäre das gar nicht mein richtiges Leben, als wäre ich in die Haut einer anderen Person geschlüpft“, erklärt er mit Blick auf seine junge Karriere. „Ich weiß, dass irgendwann der Punkt kommen wird, wo es nicht mehr steil bergauf geht. Aber wenn ich mal Kinder habe, kann ich immer noch sagen:,Schau mal, den da hab ich mal kennengelernt – und mit der da hab ich die ganze Nacht durchgemacht. Und weißt du was? Es war eine verdammt gute Zeit.'“

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