Marianne Faithfull – Berlin, Columbiahalle

Beißende Rauchschwaden hängen in der Halle, das Atmen ist Tortur, das Publikum gut drauf. Dies ist mehr als bloß ein Konzert, es ist ein Trutzbündnis wider den Ungeist der Vernunft. Wo sonst werden dem Star von Verehrern Zigaretten überreicht, neben den obligaten Blumen? Und Marianne Faithfull hält die Präsente triumphal hoch wie Insignien eines prallen Lebens. Eine Geste, die hier verstanden und mit wissendem Lächeln quittiert wird. Kaum einer unter 40, kaum einer ohne Kippe, gelbe Finger und graue Haut. Dieser „blonde Engel mit großen Titten“, wie die 17jährige Klosterschülerin einst von Andrew „Loog“ Oldham gepriesen wurde, mag mehrfach gefallen sein und so manche Narbe davongetragen haben, aber noch 35 lange Jahre danach füllt sie die Bühne mit schierer Präsenz.

Und mit diesem wuchtigen Körper, den sie in einen schneeweißen, engen Hosenanzug gezwängt hat, mit reichlich Dekollete. Die Faithfull, das Vollweib. Eine Rolle, die ihr liegt mit der sie augenzwinkernd kokettiert Sie sagt nicht viel, das Wenige aber mit Wärme und Dankbarkeit Und beides bekommt sie vom Auditorium mit Zins zurück. Die vierköpfige Band steht dem Rapport selten im Wege. Die Keyboards schmieren bisweilen, doch wird auf solisrischen Firlefanz sonst verzichtet Das Ensemble widmet sich seiner vornehmsten Aufgabe: kongeniale Kulisse zu sein für Mariannes Stimme. „Dreamin‘ My Dreams“ ist ein früher Höhepunkt, Laughing Lennys „Tower Of Song“ wird von der Sängerin mit dem verruchten Raspel-Timbre gar vereinnahmt und JLncarceration Of A Flower Child“, jener Song, den Roger Waters bereits 1968 für Syd Barrett geschrieben hat, wirkt trotz Kiffer-Lyrik keineswegs peinlich. Daß dieselbe Melodie schon in Al Stewarts „Swiss Cottage Manoevres“ zum Zuge kam, erklärt allerdings, warum Waters das Blumenkind solange unter Verschluß hielt.

Erste Zugabe, wie könnte es anders sein, ist „As Tears Go By“. Marianne denunziert ihren ersten und größten Hit nicht, legt sich hinein, ist zu Tränen gerührt, läßt sich feiern. Schön. „The Bailad Of Lucy Jordan“ folgt, der Tastenmann quengelt wie da7iimal auf „Broken English „, die Faithfull trällert und zieht zwischendurch an der Fluppe. Jubel. Überleben ist nicht alles, aber manchmal offenbar genug.

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