Marquee Moon – Television

Dass Punk keine politische oder gar soziale Bewegung war, sondern „Kunstkacke“, wie manche spöttisch anmerkten, lässt sich nicht zuletzt an diesem eigentlich viel zu spät erschienenen Album zeigen. Bereits 1973 spielen Television regelmäßig im CBGB, und schon damals gibt Tom Miller den französischen Fin-de-Siecle-Poeten, nennt sich nicht umsonst Verlaine nach jenem Paul Verlaine, dessen berühmte Essaysammlung „Les poetes maudits“ den Typus des modernen Künstlers festschrieb: als Renegat, der nur seiner Kunst verpflichtet ist und sich überdies sein eigenes moralisches Universum schafft. Das Album war eine musikalisch auf Velvet Underground und die Rolling Stones fußende Adaption dieser verdrehten, morbiden Ästhetik des französischen 19. Jahrhunderts. Seine kühle Manieriertheit, seine Dekadenz und kaputte majestätische Würde wirkten verstörend anachronistisch und konnten zugleich auch als artifizielle Zustandbeschreibungen des zeitgenössischen urbanen Lebens durchgehen. Mit Punk hatte das tatsächlich kaum noch etwas zu tun, dafür war Richard Hell zuständig gewesen, und der demissionierte bereits 1975, um die Heartbreakers zu gründen. „Urban Wave“ nannte Verlaine seine Musik treffend. Und tatsächlich war das bereits die Transformation des Punk zum Wave, noch bevor der Punk so richtig im Mainstream angekommen war. So viel innovatives Potenzial zahlt sich nie richtig aus, jedenfalls nicht pekuniär.

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