Menschen verlieren ihre Jobs, weil sie Charlie Kirk kritisieren

Nach Charlie Kirks Ermordung verlieren Journalisten und Lehrer ihre Jobs wegen kritischer Posts. Rechte wittern „Bürgerkrieg“

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Die Diskussion über die Ermordung des rechten Aktivisten und Trump-Verbündeten Charlie Kirk während einer Veranstaltung an der Utah Valley University am Mittwoch ist hitzig. Das virale Video, das den 31-Jährigen – Ehemann und Vater zweier kleiner Kinder – zeigt, wie er am Hals tödlich getroffen wird, hat die Emotionen angeheizt. Da es keinen festgenommenen Verdächtigen gibt, werden wilde politische Motive diskutiert. Prominente aus der MAGA-Bewegung nutzen Kirks Tod, um einen „Bürgerkrieg“ gegen Linke auszurufen. Republikaner – und auch einige Demokraten – trauern um ihn als Märtyrer der amerikanischen Werte von Debatte und Bürgersinn. Während Kritiker ihn als spaltend und extrem einstuften.

„Free Speech“ und harte Strafen

Einige dieser Kritiker haben bereits Konsequenzen gespürt. Matthew Dowd, Politik-Analyst bei MSNBC, verlor seinen Job nach Kommentaren über Kirk unmittelbar nach den Schüssen. Noch bevor dessen Tod bestätigt war. Dowd sagte im Sender, Kirk habe „ständig Hassrede gegen bestimmte Gruppen“ betrieben. „Hasserfüllte Gedanken führen zu hasserfüllten Worten. Die wiederum zu hasserfüllten Taten führen. Und in so einem Umfeld leben wir.“ MSNBC beendete daraufhin die Zusammenarbeit. Dowd entschuldigte sich auf Bluesky, während MSNBC-Präsidentin Rebecca Kutler erklärte: „Die Kommentare von Matthew Dowd waren unangemessen. Unsensibel. Und inakzeptabel. Wir entschuldigen uns.“ (Dowd verlor zusätzlich ein Uni-Engagement.)

Ironischerweise hatte Kirk mit Turning Point USA stets das Label des ultimativen Verteidigers der Redefreiheit beansprucht. In einer Debatte im Juni an der Oxford Union nannte er die britische Gesellschaft „totalitär“. „Man sollte auch Ungeheuerliches sagen dürfen.“ 2024 schrieb er auf X: „Hassrede existiert in Amerika rechtlich nicht. Es gibt hässliche, grobe, böse Rede. Und ALLES davon ist vom Ersten Verfassungszusatz geschützt.“

Doch seine Anhänger reagierten nach seinem Tod völlig anders. Rechte Social-Media-Figuren wie Laura Loomer, Enrique Tarrio, „Catturd“ und Chaya Raichik (LibsOfTikTok) fahnden gezielt nach Personen, die Kirk als Ideologen bezeichneten oder seine Ermordung kommentierten. Eine anonyme Website namens „Charlie’s Murderers“ veröffentlicht sogar persönliche Daten wie Arbeitgeber. Eine Hochschuladministratorin verlor bereits ihren Job. Andere erhielten Morddrohungen.

Charlie Rock, PR-Koordinator der Carolina Panthers, spielte auf Kirks frühere Aussage an, man müsse „leider einige Waffentote pro Jahr akzeptieren, um die Verfassung zu schützen“. Auf Instagram schrieb er: „Warum seid ihr traurig? Euer Mann sagte, es sei es wert.“ Die Panthers entließen ihn daraufhin und betonten: „Wir dulden keine Gewalt. Wir nehmen das sehr ernst.“

Entlassungen an Hochschulen und Schulen

Viele von Kirks Aussagen werden nun neu bewertet: Er forderte ein Einwanderungsstopp, verbreitete die „Great Replacement“-Theorie, sprach sich gegen Abtreibung auch bei Vergewaltigung aus, erklärte, „Islam sei nicht mit dem Westen vereinbar“, und verbreitete Falschinformationen zu Covid-19. Auch für christlichen Nationalismus ohne Trennung von Kirche und Staat trat er ein.

Gerade an Universitäten, wo Kirk oft provozierte, fliegen nun Dozenten für ihre Äußerungen raus. Laura Sosh-Lightsy, seit über 20 Jahren an der Middle Tennessee State University, wurde entlassen, nachdem sie auf Facebook schrieb, sie habe „NULL Mitleid“ und er habe „sein Schicksal selbst besiegelt“. Senatorin Marsha Blackburn hatte ihre Entlassung gefordert. Auch die University of Mississippi entließ eine Mitarbeiterin, die Kirk als weißen Suprematisten bezeichnet hatte.

Heuchelei der „Cancel-Culture“-Kritiker

In Florida wurde eine Grundschullehrerin suspendiert, nachdem sie auf Facebook schrieb: „Das ist vielleicht nicht der Nachruf, auf den wir alle gehofft hatten, aber es kommt dem sehr nahe.“ Bildungschef Anastasios Kamoutsas warnte Lehrer, dass solche Aussagen überwacht würden. Zwei Lehrer in Massachusetts sowie ein Pädagoge in Virginia wurden suspendiert, in Oklahoma läuft eine Untersuchung.

Die Forderungen nach Entlassungen stehen in klarem Widerspruch zu Kirks angeblichen Idealen von Meinungsfreiheit. Ausgerechnet jene MAGA-Kreise, die seit Jahren ihr „Recht“ auf beleidigende und bedrohende Aussagen verteidigen und Verschwörungstheorien verbreiten, zeigen nun null Toleranz, wenn Kritiker ihre Verachtung für einen getöteten rechten Helden äußern. Die Doppelmoral ist offensichtlich – und zugleich erwartbar.

Miles Klee schreibt für den ROLLING STONE USA. Hier geht es zum US-Profil