Michael Jackson: Off The Wall

Aus den ersten Takten von „Off The Wall“ erhebt sich der runderneuerte Michael Jackson. Eine Bassline unter der Gürtellinie, darüber eine verruchte, überraschend erwachsene Sprechstimme. Dann setzt eine scharf abgezirkelte Funk-Gitarre ein, ein spitzer sexualisierter Schrei, und „Don’t Stop ‚Til You Get Enough“ ist auf dem Weg: Direkt in die Disco!

Jackson, endlich 21 und zumindest juristisch im trinkfähigen Alter, feiert. Und liebt. Und leidet. Nur drei der zehn Songs hat Jackson selbst geschrieben, aber mit Hilfe der Beiträge von Paul McCartney, Stevie Wonder und Rod Temperton durchschreitet er das ganze Gefühlsspektrum eines Heranwachsenden. Produzent Quincy Jones, mit dem Jackson hier erstmals auf Albumlänge zusammen arbeitet, hat ihm zeitgemäße, federleichte und warme Arrangements verpasst, die neue Maßstäbe setzen. Der rumpelige Motown-Sound der Jackson Five ist längst Vergangenheit, der neue Sound setzt auf Transparenz und Intensität, funktioniert im Club ebenso wie im Radio: Mit diesem aus butterweichem Funk und elegantem Softrock, pulsierenden Grooves und den Bläsersätzen der Seawind Horns destillierten, neuen Klang, der sich deutlich von seiner Vergangenheit distanziert, befördert sich Jackson aus dem Soul-Ghetto in den Pop-Mainstream. Man kann eindeutig hören, dass „Le Freak“ von Chic acht Monate zuvor an die Spitze der Charts gestürmt war, dass die Discokultur aus der schwulen Nische gerade mit Vehemenz in die gesellschaftliche Mitte schwappte, aber auch, dass Earth, Wind And Fire im Zenit ihres Schaffens standen. Man hört sogar, dass zwei Jahre zuvor Fleetwood Mac mit „„Rumours“ den Mainstream-Pop neu definiert hatten.

Vor allem aber kann man hören, dass ein Kinderstar nicht mehr Kinderstar sein will. Egal, ob in streichergetränkten Balladen wie „„She’s Out Of My Life“ oder Uptempo-Tanznummern wie „„Workin‘ Day And Night“: Jacksons schon immer phänomenale Stimme hat alle Unbefangenheit abgelegt, durch sein jederzeit souverän eingesetztes Falsett schimmert nun endlich auch die Adoleszenz. Ein gewaltiger Schritt für Jackson, ein fast noch größerer für die Geschichte der Popmusik, konstruieren er und Jones mit „Off The Wall“ doch die Blaupause für den modernen R&B.

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